Blog- und Presseschau:Wutschnaubender McCain, entspannter Obama

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Am Tag nach dem TV-Duell geht bei den US-Kommentatoren die Meinung auseinander, wer mehr überzeugt hat. Nur in einem Punkt sind sie sich einig: Es war der temperamentvollste Auftritt bisher.

Ulrich von Schwerin

Es war die bisher schärfste und spannendste Debatte im US-Wahlkampf, so sind sich nach dem dritten TV-Duell am Mittwochabend die amerikanischen Kommentatoren einig. Doch welcher der beiden Kandidaten überzeugender war, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Verbissen, zähneknirschend, wutschnaubend erschien John McCain manchem Kommentator im dritten TV-Duell gegen Barack Obama. (Foto: Foto: AFP)

Dies gilt besonders für die Körpersprache Obamas und McCains: Während die einen John McCain kämpferisch finden, nennen ihn andere verbissen. Barack Obama wird teilweise als überlegen bezeichnet, manchem erscheint er aber als arrogant. Wie ein Analyst bemerkt, dürfte jeder den Kandidaten besser gefunden haben, den er ohnehin schon bevorzugte.

Besonders die kandidatennahen Blogs sind entschlossen, ihrer Seite den Siegeszuschlag zu geben. So jubelt das republikanische Blogs for Victo(r)y, Obama sei in "präventiver Defensive" gewesen. McCain habe überzeugend seinen Plan dargelegt, wie er das Leben für "Durchschnitts-Joe" verbessern werde - gemeint ist der in der Debatte immer wieder auftauchende Klempner Joe.

Blogs for John McCain ist überzeugt, McCain habe die "Samen des Zweifels betreffend Obamas verantwortungslosem Wirtschaftsplan gesät".

Auch der Weekly Standard gibt McCain den Siegzuschlag. Alles habe sich um die Frage gedreht, bei welchem Kandidaten der Klempner Joe unter die Räder komme, meint das konservative Blatt. Auch wenn McCain nicht so poliert und artikuliert wie Obama gewesen sei, habe er doch die Runde gewonnen - und zwar entschieden.

Nicht nur sei es ihm gelungen, die Außenpolitik als Kampagnenthema aufzubringen, sondern auch in der Steuerfrage zu zeigen, dass bei seinem Plan der kleine Mann besser wegkomme.

In der Analyse differenziert präsentiert sich der Boston Globe. Auch er sieht den Republikaner auf der Gewinnerseite. McCain habe Obama "ins scharfe Kreuzfeuer genommen, seine Abneigung gegen den Senator aus Illinois und seine Empörung über Obamas Politik kaum verhehlend".

Obama habe dagegen zu ruhig und überlegt gewirkt, da er "auf McCains zähneknirschende Attacken mit einem Grinsen antwortete, das mehr amüsiert als betroffen schien". Das Fazit des Globe: "McCains Auftritt war womöglich weder freundlich noch elegant, dafür aber effektiv."

Die New York Times enthält sich eines klaren Urteils. Sie findet, die dritte TV-Debatte sei das "bei weitem lebendigste und kämpferischste der bisherigen Treffen" gewesen. Neben den tiefen programmatischen Unterschieden seien auch die völlig unterschiedlichen Temperamente der Kandidaten deutlich geworden.

Der bleibende Eindruck des Abends könnte der geteilte Bildschirm sein mit Obama auf der einen Seite, der bemüht war "seine unerschütterliche Haltung trotz der teilweise heftigen Attacken" zu bewahren, auf der anderen Seite McCain, "mitunter schwer atmend, seiner Ungeduld Ausdruck gebend".

Nach Ansicht der Washington Post war Obama zwar wiederholt gezwungen, sich zu erklären. Er habe aber nie seine Ruhe verloren, trotz der andauernden Kritik seines Gegners, die Angriffe "wieder und wieder mit ausgewogenen Erklärungen parierend, dazu gemacht, die Schärfe aus McCains Attacken zu nehmen".

Die Debatte sei zwar womöglich McCains stärkste gewesen, schreibt die Post, doch sie habe auch gezeigt, wie Obama die Duelle nutze, um zu beweisen, dass er "nicht nur die Kenntnis der Themen, sondern auch das Temperament und die Urteilskraft hat, die Wähler im Nachfolger von Bush suchen".

Auch das liberale Washingtoner Blog Politico kommt zu dem Ergebnis, dass es McCain nicht gelungen sei, zu erklären, warum er Präsident sein sollte und Obama nicht. Der Demokrat sei den Schlägen McCains stets elegant ausgewichen. McCains Laune sei gereizt gewesen mit "wiederholten sarkastischen Hieben gegen Obama", manchmal sei McCain "ein wenig seltsam, mit einem spröden Lächeln und hervorstehenden Augen" erschienen. Das Politico-Fazit: Der Republikaner war weder überzeugend noch sympathisch.

Gegen das Urteil der Los Angelos Times erscheint diese Einschätzung noch zahm: McCain habe völlig versagt, die Kampagne noch einmal umzudrehen, schreibt die kalifornische Zeitung. Wertvolle Zeit habe er damit verloren, auf einem Radikalen der 1960er herumzuhacken. "Kein einziger Moment war dazu geeignet, in den Köpfen der Wähler nachzuhallen."

Dazu hätten ihn die Fernsehbilder als verbissen und aggressiv gezeigt. "Er hat versprochen, seine Hand auszustrecken, zeitweise aber eine scheinbar kaum kontrollierte Wut ausgestrahlt, die Zähne zusammengebissen, voller Verachtung für seinen Gegner."

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