Deutschland – IsraelSteinmeier fordert Ende der Blockade im Gazastreifen

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der israelische Präsident Isaac Herzog (links) im Park von Schloss Bellevue.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der israelische Präsident Isaac Herzog (links) im Park von Schloss Bellevue. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

„Nicht irgendwann, sondern jetzt“ müsse die Lieferung von Hilfsgütern an die notleidende Bevölkerung wieder ermöglicht werden, verlangt der Bundespräsident von Israel.

Von Robert Roßmann, Berlin

Der Bundespräsident verpackt seine Kritik in sehr viel Dank – aber sie ist trotzdem deutlich zu vernehmen. Isaac Herzog, der israelische Staatspräsident, ist am Montag ins Berliner Schloss Bellevue gekommen. Anlass seines Deutschlandbesuchs ist die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vor 60 Jahren. Frank-Walter Steinmeier würdigt die Beziehungen dann auch gebührend. „Für uns Deutsche war das ein Geschenk, das wir nach den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs und des Zivilisationsbruchs der Shoah nicht erwarten durften“, sagt der Bundespräsident bei einer Pressekonferenz mit Herzog. Es sei eine „ganz und gar unglaubliche deutsch-israelische Versöhnungsgeschichte“. Aber dann sagt Steinmeier eben auch den Satz, der von diesem Auftritt vor allem bleiben wird: Die israelische Blockade von Hilfsgütern in den Gazastreifen müsse aufgehoben werden, „nicht irgendwann, sondern jetzt“.

Steinmeier und Herzog sind gut befreundet. Wenige Wochen nach dem Überfall der Hamas auf Israel im Oktober 2023 ist der Bundespräsident zu einem Solidaritätsbesuch nach Israel geflogen. Er hat dort mit Herzog einen Kibbuz besucht, in dem die islamistische Hamas mehr als 130 Menschen getötet hat. Aber das Vorgehen der Regierung von Benjamin Netanjahu im Gazastreifen will der Bundespräsident nicht kommentarlos hinnehmen.

Der Bundespräsident fürchtet, dass das Leid der Menschen in Gaza „die Gräben immer tiefer macht“

Er erkenne das Dilemma, das die Hamas für die israelische Armee verursache, „indem sie sich feige hinter Zivilisten versteckt und dabei weiter Raketen auf Israel abfeuert“, sagt Steinmeier. Er sehe auch das Dilemma, das die Terrororganisation schaffe, indem sie die Hilfslieferungen ausnütze. „Aber ich befürchte auch, dass das Leid, das die Menschen in Gaza erleben, die Gräben immer tiefer macht.“

Steinmeier berichtet von seinen Reisen in arabische Länder, bei denen er eine Offenheit für friedliche Lösungen festgestellt habe, die er dort in der Vergangenheit nicht so erlebt habe. Der Bundespräsident spricht von einem „Fenster der Möglichkeit“, das es jetzt gebe. Und er warnt, dass sich solche Fenster wieder schließen können, wenn man sie nicht rechtzeitig nutze.

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Steinmeier sieht sich als Freund Israels. Und er beklagt, dass sich die Feinde Israels nicht an internationale Regeln halten. Aber er ist der Ansicht, dass Demokratien und Rechtsstaaten sich an die Regeln halten müssen – und nicht über das gewaltige Leid der Zivilbevölkerung in Gaza hinwegsehen dürften. Am Dienstagmorgen fliegt der Bundespräsident für zwei Tage nach Israel. Er wird nicht nur erneut zusammen mit Präsident Herzog den Kibbuz besuchen, er wird auch Premier Benjamin Netanjahu treffen.

Am vergangenen Donnerstag hatte Bundeskanzler Friedrich Merz mit Netanjahu telefoniert. Zumindest laut Mitteilung seines Sprechers übte Merz dabei nur vergleichsweise vorsichtige Kritik. In der Mitteilung heißt es, Merz habe seine Besorgnis über „die humanitäre Not in Gaza“ geäußert und seine Hoffnung zum Ausdruck gebracht, „dass bald Verhandlungen über einen Waffenstillstand in Gang kommen“.

Gegen Netanjahu liegt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vor – wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gazastreifen. Trotzdem hatte Merz noch am Tag nach der Bundestagswahl gesagt, er habe Netanjahu für den Fall eines Deutschlandbesuchs versichert, „dass wir Mittel und Wege finden werden, dass er Deutschland besuchen kann und auch wieder verlassen kann, ohne dass er in Deutschland festgenommen worden ist“.

Israelischer Präsident trifft auch Bundeskanzler Merz

Inzwischen äußert sich Merz deutlich zurückhaltender. Bereits am Tag seiner Wahl zum Kanzler sagte er: „Israel macht uns allergrößte Sorgen.“ Am Montagmittag teilte Merz’ Regierungssprecher dann mit, es gebe derzeit keine Einladung an Netanjahu für einen Deutschland-Besuch. Und am Montagabend, nach einem Treffen des Bundeskanzlers mit dem israelischen Präsidenten, hieß es, Merz habe in dem Gespräch seine Dankbarkeit für die Freundschaft zwischen Israel und Deutschland zum Ausdruck gebracht. Sie sei ein großer Schatz, den es achtzig Jahre nach dem von Deutschen verübten Holocaust zu bewahren gelte. Der Bundeskanzler habe aber auch erneut seine Sorge über die humanitäre Lage in Gaza und die seit März wieder intensivierten Kampfhandlungen kundgetan.

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