Blitzbesuch von Frankreichs Präsident Hollande:Für die Heimatfront nach Afghanistan

Mit dem schnellen Truppenabzug aus Afghanistan stößt Frankreichs neuer Präsident auf viel Kritik. Aber bei vielen Franzosen kann François Hollande mit seinen Auftritten in Berlin, Washington oder Kabul punkten. Bald wird sich der Sozialist jedoch wieder der Innenpolitik zuwenden müssen - und die verspricht mehr Gram als Glorie.

Stefan Ulrich

Ursprünglich wollte der neue französische Präsident sein Land als "ruhige Kraft" regieren. Doch wenn er so weitermacht, dürfte er als "rasender Hollande" in die Geschichte eingehen. Kaum aus den USA und Brüssel zurück, brach François Hollande unter strenger Geheimhaltung zu einem Überraschungsbesuch nach Afghanistan auf.

Blitzbesuch von Frankreichs Präsident Hollande: "Der rasende Hollande": Frankreichs neuer Staatschef punktet beim Wahlvolk mit außenpolitischen Auftritten wie seinem Blitzbesuch in Kabul.

"Der rasende Hollande": Frankreichs neuer Staatschef punktet beim Wahlvolk mit außenpolitischen Auftritten wie seinem Blitzbesuch in Kabul.

(Foto: AP)

In Kabul angekommen, flog er am Freitagmorgen per Helikopter zum Stützpunkt Nidschrab in der besonders gefährlichen Kapisa-Provinz weiter. Dort sind die meisten der 3550 am Hindukusch eingesetzten französischen Soldaten stationiert.

Hollande, der auch Oberkommandierender der Streitkräfte ist, sagte der Truppe: "Ihr werdet an Weihnachten zu Hause sein." Der Afghanistan-Abzug in diesem Jahr war eines der Wahlkampf-Versprechen des Sozialisten. Nun erfüllt er es.

Allerdings wird der Präsident nicht alle Soldaten bis Weihnachten abziehen, sondern nur die ungefähr 2000 Mann starken Kampfeinheiten. Etwa 1000 Soldaten sollen auch 2013 in Afghanistan bleiben. Sie müssen den Heimtransport des Materials organisieren.

Hierzu gehören 1400 Container, 900 überwiegend gepanzerte Fahrzeuge, drei Mirage-Jets und 14 Hubschrauber. In einer dritten, zeitlich nicht begrenzten Phase sollen französische Soldaten dann noch zur Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte eingesetzt werden.

Hollande verspricht "ziviles" Engagement

Hollande sagte zu den Soldaten, sie würden "geordnet und mit Stolz" abziehen. Dabei werde er sich mit den Nato-Partnern absprechen. Mit seinem Blitzbesuch versuchte er der Kritik zu begegnen, die Franzosen machten sich übereilt davon, weil ihr Präsident mit dem Rückzug innenpolitisch punkten wolle.

Hollande sagte, das Ziel des Einsatzes, die von Afghanistan ausgehende Terrorgefahr zu stoppen, sei weitgehend erreicht. "Nun ist die Zeit der afghanischen Souveränität gekommen." Die Afghanen müssten künftig selbst über ihren weiteren Weg entscheiden.

Am Vormittag traf sich der Präsident mit seinem afghanischen Kollegen Hamid Karsai, um über die künftige Zusammenarbeit zu sprechen. Bei einer Pressekonferenz in Kabul sagte Hollande, Frankreich bleibe auch nach seinem Truppenabzug im Land. Es werde sich "zivil" engagieren, in der Wirtschaft, Erziehung, Kultur und Archäologie.

Konkret nannte er den Wohnungsbau und die erneuerbaren Energien. "Frankreich hält seine Verbindungen mit diesem Land aufrecht", sagte er. Afghanistan dürfe nicht nur als Konflikt- und Gefahrenzone angesehen werden.

Die Versprechen Hollandes dürften die Kritik an dem vorzeitigen Abzug kaum dämpfen. Die Nato will ihren Kampfeinsatz in Afghanistan erst 2014 beenden und die Kontrolle über das Land bis dahin geordnet an die afghanische Armee übergeben.

Paris hatte ursprünglich zugesagt, so lange mit den Verbündeten am Hindukusch zu bleiben. Bereits der konservative Präsident Nicolas Sarkozy stellte dann aber einen Abzug bis Ende 2013 in Aussicht.

Hollande holt einen Großteil der Truppe nun noch schneller zurück. Hauptmotiv dafür dürfte sein, dass der Einsatz unter den Franzosen unpopulär ist. 83 französische Soldaten sind am Hindukusch gefallen, 700 wurden schwer verletzt. Die Einsatzkosten sind allein für 2012 auf mehr als 500 Millionen Euro angesetzt. Viele Franzosen fordern ein rasches Ende der Mission.

Sarkozys früherer Verteidigungsminister Gérard Longuet von der gaullistischen UMP-Partei sagte dagegen, Frankreich sei gemeinsam mit seinen Partnern nach Afghanistan hineingegangen. Nun solle man auch gemeinsam hinausgehen.

UMP-Parteichef Jean-François Copé sagte, Frankreich mache eine schlechte Figur in der Welt. "Wir wirken wie Leute, die kneifen."

Hollande wird Hoffnungen enttäuschen

Kritiker sagen, der Abzug erfolge zu schnell für eine geordnete Übergabe an die afghanischen Streitkräfte. Außerdem sei die Unterscheidung zwischen Kampf-, Logistik- und Ausbildungssoldaten künstlich. Auch Logistiker und Ausbilder müssten mit der Waffe geschützt werden.

Solcher Kritik zum Trotz dürfte Hollande mit seiner Afghanistanpolitik vor den französischen Parlamentswahlen Mitte Juni bei den Bürgern punkten. Seit seinem Amtsantritt nützt er die Außenpolitik, um sich als selbstbewusste Stimme Frankreichs zu präsentieren. Die französische Presse verfolgt seine Auslandsauftritte überwiegend mit Beifall.

Spätestens Ende Juni wird sich der Sozialist aber der Innenpolitik zuwenden müssen, die mehr Gram als Glorie verspricht. In der Heimat erwarten Hollande Massenentlassungen, Auseinandersetzungen mit den Gewerkschaften und Hoffnungen seiner linken Wähler, die sich angesichts der Haushaltslage kaum erfüllen lassen. Dann muss der rasende Hollande beweisen, dass er sein Land mit starker, ruhiger Hand regieren kann.

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