Diplomatie:Blinken sucht Freunde in Afrika

Diplomatie: US-Außenminister Antony Blinken in Soweto mit der Schwester des 1976 bei einer Anti-Apartheid-Demonstration erschossenen südafrikanischen Schülers Hector Pieterson.

US-Außenminister Antony Blinken in Soweto mit der Schwester des 1976 bei einer Anti-Apartheid-Demonstration erschossenen südafrikanischen Schülers Hector Pieterson.

(Foto: POOL/REUTERS)

Der US-Außenminister reist durch den Kontinent und versucht, den Sympathien vieler Staaten für Russland etwas entgegenzusetzen.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Die Begrüßung fiel dann eher etwas förmlich aus. Mit dem Ellenbogen empfing die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor ihren US-Kollegen Antony Blinken am Montag in Pretoria. Man blieb wohl wegen Corona auf Abstand, aber ganz ohne Symbolik war das Bild zum Auftakt der Afrika-Reise des US-Chefdiplomaten natürlich nicht, das Verhältnis zum Kontinent war auch schon einmal besser. Was an Donald Trump liegt, der sich nicht für Afrika interessierte, aber vor allem am Ukraine-Krieg, der deutlich gemacht hat, dass viele afrikanische Regierungen keine große Lust haben, sich in einen Konflikt hineinziehen zu lassen, mit dem sie wenig zu tun haben. Von dem sie nur die Folgen zu spüren bekommen, in Form von steigenden Lebensmittel- und Energiepreisen.

Als die UN-Generalversammlung im Frühjahr über die Verurteilung der Invasion abstimmte, votierten fast genau die Hälfte der 54 afrikanischen Länder nicht dafür: Eritrea war dagegen, 17 Länder enthielten sich, acht Länder waren erst gar nicht erschienen. In Europa und den USA war man verblüfft bis schockiert, dass selbst langjährige Partner wie Südafrika den russischen Angriff nicht verurteilen wollten, Sanktionen hat ohnehin kein einziges Land ausgesprochen. Südafrikas Außenministerin Pandor hatte den Krieg anfangs noch verurteilt, hatte Russland aufgefordert, "seine Streitkräfte unverzüglich aus der Ukraine abzuziehen", war dann aber schnell auf die Linie der Regierungspartei zurückgepfiffen worden, des African National Congress (ANC), der letztlich sagt: Nur Verhandlungen können Frieden bringen. Wir schlagen uns auf keine Seite.

Daran wird auch Blinkens Besuch nichts ändern - auch wenn er mit seiner Kollegin dann doch noch die Hände schüttelte und Pandor sagte, man habe offene Gespräche geführt mit Meinungsverschiedenheiten, aber die Freundschaft der Länder sei gestärkt. Südafrikas Regierung fühlt sich Russland traditionell verbunden, weil die Sowjetunion seinerzeit den Kampf gegen die Apartheid unterstützte - dass die Ukraine damals auch zur UdSSR gehörte, wird dann nicht mehr ganz so genau genommen. Der Krieg kommt in Afrika zu einem Zeitpunkt, da die Sympathie für Europa und die USA schwindet und die Parolen aus China und Russland bei vielen mit mehr Wohlwollen aufgenommen werden. Die chinesische Staatszeitung Global Times hatte Bidens Reise bereits vor ihrem eigentlichen Beginn so kommentiert: "Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben die USA Afrika in ihrer globalen Strategie an die unterste Stelle gesetzt. Obwohl die US-Diplomatie jetzt mehr Gewicht auf Afrika legt, versucht sie nur, den Kalten Krieg wieder nach Afrika zu bringen und Afrikas Entwicklungsaussichten zu ruinieren."

Den wachsenden Sympathien für Russland und China versuchte Blinken entgegen zu wirken. Er kündigte in Pretoria bei einer Rede der BBC zufolge an, die USA würden ein globales Hilfsprogramm starten, das "eine jahrzehntelange Investition in die Förderung friedlicherer, integrativerer und widerstandsfähigerer Gesellschaften" leisten werde und jährlich 200 Millionen Dollar erhalte. Er ging auch auf den Ukraine-Krieg ein. Die USA könnten afrikanische Länder unterstützen, die die Kriegsfolgen treffen. Und er sagte, Washington werde Afrikas Entscheidungen nicht diktieren, das solle auch kein anderer tun.

Viele von Lawrows Gesprächspartnern nickten eifrig

Es ist eine ähnliche Folklore, die bereits der russische Außenminister Ende Juli bei seiner Afrika-Reise verbreitet hatte. Sein Land habe sich "nicht mit den blutigen Verbrechen des Kolonialismus befleckt" und "die Afrikaner in ihrem Kampf um Befreiung von kolonialer Unterdrückung aufrichtig unterstützt", sagt Sergej Lawrow vor wenigen Tagen. Wenn nun in vielen afrikanischen Ländern die Preise für Öl und Weizen steigen, dann sei das allein die Schuld der USA. Viele seiner Gesprächspartner nickten eifrig, auch Ugandas Präsident Yoweri Museveni, lange ein enger Verbündeter der USA.

Wenige Tage später bekam er ebenfalls hohen Besuch aus Washington, von Linda Thomas-Greenfield, der US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, die wie Blinken zu einer Charme-Offensive auf den Kontinent geflogen war. Museveni zeigte sich wenig beeindruckt: "Wir appellieren auch an die USA, dass sie, wenn sie Afrika wirklich helfen wollen, in Betracht ziehen sollten, uns von den Sanktionen in einem Krieg zu befreien, an dem wir nicht beteiligt sind."

Blinken wird bei seinen weiteren Stationen in Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo womöglich auf ähnliche Vorbehalte treffen. Und auch dort versuchen, Wohlwollen zurückzugewinnen. Mit einer neuen Strategie für Subsahara-Afrika: Weniger Militär, dafür mehr Diplomatie und Entwicklungshilfe. Mit Ernüchterung hat man in Washington beobachtet, wie im Kampf gegen den Terror in der Sahel-Zone vor allem auf militärische Lösungen gesetzt wurde - und sich die Situation für die Bevölkerung dramatisch verschlechterte. Sie wollen vor allem zuhören, sagten die Top-Diplomaten auf Afrika-Tour. Gleichzeitig wurden aber auch die Grenzen des Verständnisses deutlich: UN-Botschafterin Thomas-Greenfield drohte jenen Staaten, die auf die Idee kämen, Öl von Russland zu kaufen, mit Konsequenzen.

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