Blick ins Ausland:Von Säulen und Sockeln

Keines der europäischen Nachbarländer tut sich leicht mit der Grundsicherung im Alter. In manchen Ländern ist sie ähnlich umstritten wie in Deutschland.

Das Konzept von Sozialminister Hubertus Heil (SPD) für eine bessere Absicherung von Geringverdienern im Alter ist, wenig überraschend, sofort kritisiert worden. Doch wie sehen seine Pläne im europäischem Vergleich aus? Ein Überblick.

Schweden

Schweden kennt eine garantierte Grundrente bereits seit der Rentenreform von 1998. Hauptpfeiler der regulären Rente ist die Einkommensrente, in deren Finanzierung 18,5 Prozent des Bruttolohnes fließen, und die man schon mit 61 Jahren einfordern kann. Anspruch auf die Garantierente hat jeder Pensionsberechtigte im Alter von 65 Jahren, wenn seine Einkommensrente weniger als umgerechnet 1143 Euro (Single) oder 1013 Euro (verheiratet) beträgt. Maximal gibt es im Monat für Alleinstehende 792 Euro Garantierente, und zwar dann, wenn der Rentner mindestens 40 Jahre in Schweden gelebt hat. Hat einer zum Beispiel nur 17 Jahre im Land verbracht, dann erhält er eben 17 Vierzigstel der Garantierente. Geplante Reformen sehen vor, dass man vom Jahr 2023 an 66 Jahre alt sein muss, um Anspruch auf die Garantierente zu haben. Kai Strittmatter

Großbritannien

In Großbritannien ist die staatliche Rente lediglich ein Zubrot. Die Miete oder eine Hypothek können Rentner damit nicht bezahlen. Wer nur die staatliche Rente erhält und seine Wohnung nicht besitzt, ist auf Sozialleistungen angewiesen. Seit einer Reform im Jahr 2016 beträgt die sogenannte volle staatliche Rente 164,35 Pfund pro Woche, das sind 185 Euro. Anspruch darauf hat, wer 35 Jahre lang gearbeitet hat. Allerdings werden Jahre, in denen der Rentner arbeitslos war oder Kinder großgezogen hat, mitgezählt. Wer trotzdem auf weniger als 35 Jahre kommt, bezieht eine verringerte Rente. Das Rentenalter beträgt 65 Jahre, steigt aber bis 2020 auf 66 Jahre. Björn Finke

Frankreich

635 pro Monat Euro beträgt die Mindestsumme, die in Frankreich ein alleinstehender Ruheständler aus den Rentenkassen erhält, wenn er dort irgendwann eingezahlt hat. Hinzu kommt eine Zahlung aus Steuermitteln, damit das sogenannte "Altersminimum" erreicht wird. Dieser sozialpolitische Sockelbetrag liegt bei 868 Euro monatlich; 2020 steigt er auf 903 Euro. Weniger soll im Alter niemand haben. Die Höhe dieser Grundsicherung ruft Kritik hervor, weil sie für Geringverdiener den Arbeitsanreiz mindere. Tatsächlich erhielt ein Arbeitnehmer, der 42 Beitragsjahre Mindestlohn verdient hat, zuletzt unwesentlich mehr Rente: 945 Euro. Frankreichs Gewerkschaften fordern Nachbesserungen. Leo Klimm

Italien

In Italien läuft der Countdown zur Aufstockung kleiner Renten: Arbeits- und Sozialminister Luigi Di Maio stellte am Montag in Rom das Internetportal "Bürgereinkommen" vor und feuerte damit den Startschuss ab zur Einführung einer Grundsicherung für Arbeitssuchende und zur Anhebung der Mindest- und Sozialrenten. Vom 6. März an können Empfänger niedriger Ruhestandsbezüge dort ihre Anträge stellen. Die ersten "Bürgerrenten" sollen Ende April vom Staat ausgezahlt werden, rechtzeitig vor der Europawahl am 26. Mai. Die Regierung in Rom versprach, künftig allen eine Mindestrente von 780 Euro zu garantieren. Das entspricht der vom römischen Statistikamt festgelegten Armutsgrenze. Von April an soll der Steuerzahler nun die Sozialrenten in Höhe von 458 Euro und die Mindestrenten von derzeit 513 Euro auf 780 Euro im Monat aufbessern. Weil der Anspruch auf die Bürgerrente an die Erfüllung diverser Auflagen geknüpft ist, wird sich die Zahl der Begünstigten auf schätzungsweise 500 000 Rentner beschränken. Mit der Anhebung kann nur rechnen, wer mindestens 67 Jahre alt ist und keine nennenswerten Vermögenswerte und Immobilien besitzt. Ulrike Sauer

Schweiz

Nachbarn schauen manchmal neidisch auf das Schweizer Rentensystem - weil es stabil ist und durch die eingebaute Reichtumsverteilung auch gerecht wirkt. Das System ruht auf drei Säulen: einer staatlichen Grundrente, die durch die obligatorische berufliche und die freiwillige private Vorsorge ergänzt wird. Die Grundversicherung ist wie in Deutschland umlagefinanziert, alle müssen einzahlen. Wer das ein Leben lang lückenlos getan hat, erhält mindestens 1175 Franken (1030 Euro), höchstens aber 2350. Auch Multimillionäre bekommen nicht mehr, müssen aber denselben Prozentsatz ihres Einkommens abgeben, werden also viel stärker belastet als Arme. Das Geld aus den Pensionskassen soll die Grundrente so ergänzen, dass Rentnern etwa 60 Prozent des letzten Lohns zur Verfügung stehen. Wem das nicht reicht, der kann sich - steuerlich begünstigt - mit Lebensversicherungen oder Sparkonten zusätzlich absichern. Weil das Land insgesamt vergleichsweise wenig für die Alterssicherung ausgibt, ist die Altersarmut allerdings recht hoch. Thomas Kirchner

Ungarn

In Ungarn hat Anspruch auf Altersrente, wer das Mindestalter erreicht hat; derzeit wird es - bis 2022 - schrittweise von 63 auf 65 Jahre angehoben. Zudem muss man mindestens 20 Jahre lang eingezahlt haben. Die Höhe der Rente ist einkommensabhängig; für die ersten zehn Berufsjahre werden 33 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns angerechnet, danach steigt der Anteil gestaffelt um einen bis zwei Prozentpunkte pro Jahr. Die Mindestrente beträgt monatlich 28 500 Forint, umgerechnet etwa 90 Euro. Wer das Renteneintrittsalter erreicht, aber beispielsweise nicht lang genug eingezahlt hat, kann ein steuerfinanziertes Altersgeld beantragen, muss sich dafür allerdings einer Bedürftigkeitsprüfung unterziehen. Tobias Zick

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