BKA-Präsident im NSU-Untersuchungsausschuss:Hochmut kommt vor dem Kopfschütteln

Da wundern sich die Abgeordneten: BKA-Präsident Ziercke versteigt sich im NSU-Untersuchungsausschuss zu der Hypothese, die gute Polizeiarbeit habe die fremdenfeindliche Mordserie gestoppt. Auf kritische Fragen reagiert er empfindlich, antwortet patzig.

Tanjev Schultz, Berlin

Es geht zeitweise hoch her im Untersuchungsausschuss des Bundestags zu den Morden der Zwickauer Terrorzelle. Die Stimmung am Donnerstag ist gereizt. Als Zeuge geladen ist der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke. Auf kritische Fragen reagiert er empfindlich, antwortet patzig. "Ich finde es nicht nachvollziehbar, wie Sie hier auftreten", sagt ihm der Vorsitzende des Ausschusses, Sebastian Edathy (SPD). Der CDU-Abgeordnete Clemens Binninger muss Ziercke sogar daran erinnern: "Für Hochmut ist in dem Ausschuss eigentlich wenig Platz."

Neonazi-Untersuchungsausschuss

"Wir haben versagt": BKA-Präsident Jörg Ziercke vor dem NSU-Untersuchungsausschuss.

(Foto: dpa)

Es beginnt harmlos. In einem vorbereiteten Redetext bekennt sich Ziercke in allgemeiner Form zum Versagen bei der Mordserie. Er bedauere, dass die Behörden ihrem Schutzauftrag nicht nachgekommen seien: "Wir haben versagt." Doch anschließend, in der Befragung durch die Abgeordneten, ist von Demut nur noch wenig zu spüren.

Ziercke verteidigt vehement, wie die Ermittlungen organisiert wurden. Und er kommt dabei zu einer ganz anderen Einschätzung als der frühere BKA-Vizepräsident Bernhard Falk, der die Strukturen als "kriminalfachlich stümperhaft" bezeichnet hat. Ziercke gab sich offenbar im Jahr 2006 schnell damit zufrieden, dass die Ermittlungen nicht vom BKA übernommen, sondern weiter dezentral von sechs verschiedenen Polizeibehörden geführt und nur durch eine "Steuerungsgruppe" koordiniert wurden. Dies sei ein vertretbarer Kompromiss gewesen, sagt Ziercke im Widerspruch zu seinen Mitarbeitern. Und: "Das Ergebnis hat mir recht gegeben."

Da wundern sich die Abgeordneten. Ziercke versteigt sich zu einer Hypothese, die im Ausschuss besonders viel Kopfschütteln auslöst: Die gute Polizeiarbeit habe dazu beigetragen, dass die fremdenfeindliche Mordserie stoppte.

Zierckes Aussage habe "absurde Züge" angenommen, sagt Eva Högl (SPD). Die Abgeordneten verweisen darauf, dass die Polizei die Täter nicht fand und die Neonazis noch 2007 in Heilbronn eine Polizistin ermordeten. Obwohl mittlerweile bekannt ist, wie sehr sich die Behörden gegenseitig das Leben schwer machten, betont Ziercke, er sei mit der Struktur zufrieden gewesen. Organisationen seien ohnehin "Schall und Rauch", und der Föderalismus verlange Kompromisse. Die Abgeordnete Högl vermutet, Ziercke wolle "aus falsch verstandener Loyalität" zum Innenministerium die Arbeit der Polizei schönreden.

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