Süddeutsche Zeitung

Aktionsplan des BKA:Lücken beim Kampf gegen rechte Extremisten

  • Die Erstellung eines Katalogs von Maßnahmen, um mehr gegen rechte Gewalt zu tun, geht auf eine Anweisung von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zurück.
  • Kernstück sind neue Einheiten, die sogenannte Strukturermittlungen in der rechten Szene führen sollen.
  • Die größte Lücke aber schließt der Plan für eine neue "Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität" beim BKA. Diese soll künftig bundesweit Hass-Postings im Netz erfassen.

Von Florian Flade, Georg Mascolo und Ronen Steinke

In diesem Herbst, genauer am 1. November, nimmt im Bundeskriminalamt eine große neue Abteilung ihre Arbeit auf, ausschließlich für die Bekämpfung des islamistischen Terrorismus. Es gibt reichlich Ressourcen und Personal, es ist die Reaktion des Staates auf den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember 2016 mit zwölf Toten.

In einem anderen Bereich des Staatsschutzes wollen die Beamten nun versuchen aufzuholen. In diesen Tagen wird nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR im BKA letzte Hand an einen Plan gelegt, mit dem gegen die nicht weniger gefährliche rechtsextreme Szene und ihre Mörder vorgegangen werden soll. Es ist die Reaktion auf den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) - und zugleich so etwas wie ein Eingeständnis, dass man in den vergangenen Jahren im Bereich rechts nicht genau genug hingeschaut hat.

Kaum jemand in den Sicherheitsbehörden bestreitet dies heute noch. Als sich im November 2011 die Neonazi-Mordtruppe NSU selbst enttarnte, da hatte dies ein Beben in den Sicherheitsbehörden ausgelöst. Nie wieder, so hieß es, sollten Rechtsterroristen aus dem Blick geraten. Doch rasch wurde das Thema wieder überdeckt durch die Gefahr des islamistischen Terrorismus. Trotz der vielen Angriffe auf Asylunterkünfte und Flüchtlinge gab es für die Staatsschützer in den vergangenen Jahren vor allem dieses eine Thema.

Das BKA will ein Verfahren aus dem Bereich der Kinderpornografie kopieren

Man müsse nun die Anstrengungen "erheblich intensivieren, um den gegen unsere Werte gerichteten Aktivitäten wirksam entgegentreten zu können", heißt es in einem Papier ("Neugestaltung der Bekämpfung der Politisch motivierten Kriminalität - rechts - und der Hasskriminalität"), das BKA-Präsident Holger Münch an das Bundesinnenministerium übermittelt hat. Kernstück sind neue Einheiten, die sogenannte Strukturermittlungen in der rechten Szene führen sollen.

Die größte Lücke aber schließt der Plan für eine neue "Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität" beim BKA. Diese soll künftig bundesweit Hass-Postings im Netz erfassen. "Polizei und Staatsanwaltschaften müssen alles tun, um Hasskriminalität im Internet effektiv zu verfolgen", hatte die Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) nach dem Mord an Walter Lübcke gesagt und angemahnt, "den Verfolgungsdruck massiv" zu erhöhen. Bisher scheitert dies oft, weil die Täter anonym agieren und ihre Enttarnung aufwändig ist.

Das BKA will deshalb ein seit Jahren im Bereich der Kinderpornografie erprobtes Verfahren kopieren: alle Taten bundesweit zentral erfassen, bewerten, die Absender oder Urheber in Zusammenarbeit mit Facebook, Youtube und anderen identifizieren und erst dann an die örtlich zuständigen Behörden in den Bundesländern weiterreichen. Tatsächlich hat das BKA in diesem Bereich besondere Expertise, die Cyber-Ermittler des Amtes gelten als technisch versiert und haben gute Kontakte zu den Providern, die meist in den USA sitzen.

Für Diskussion, vermutlich auch Streit, wird dieser Punkt wohl dennoch sorgen. Denn das BKA will nicht nur die Zuständigkeit für die Bekämpfung der Hassbotschaften, sondern auch gesetzliche Erleichterungen - etwa die Verlängerung von Speicherfristen für Telekommunikation. Dabei ist die sogenannte Vorratsdatenspeicherung politisch hoch umstritten.

Zudem will die Behörde, dass Facebook, Youtube und die anderen Plattformen Hass und Hetze künftig nicht mehr kommentarlos löschen dürfen - sondern in jedem Fall dem BKA zuleiten müssen. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz müsste dafür verschärft werden. Zwar hat das Justizministerium selbst schon angekündigt, das Gesetz bald "weiterentwickeln" zu wollen. Eine Anzeigepflicht wäre im deutschen Recht aber ganz neu.

Die Erstellung eines Katalogs von Maßnahmen, um schnell mehr gegen rechte Gewalt zu tun, geht auf eine Anweisung von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zurück. Der hatte nach dem Mord an Lübcke von einem "Alarmsignal" und einer "neuen Qualität" rechter Gewalt gesprochen. Dass es nun tatsächlich so schnell geht, liegt daran, dass die Lücken beim Kampf gegen rechte Extremisten ziemlich schnell zu identifizieren waren.

Anders als im Bereich des Islamismus etwa gibt es bis heute kein einheitliches bundesweites System, um zu bewerten, wer von den laut Verfassungsschutz 12 500 als gewaltbereit eingestuften Rechtsextremisten zu den besonders gefährlichen - den sogenannten Gefährdern - gehört. Deshalb soll nun das bei Islamisten genutzte Analyse-Tool "Radar" angepasst werden. Wissenschaftler sind bereits eingeschaltet, um an den Kriterien zu arbeiten. Wie bei den Dschihadisten soll es dann regelmäßige Sitzungen aller Sicherheitsbehörden zu den potenziellen Rechtsterroristen geben, ein "Gefährdungsmanagement".

Schon lange war auffällig, dass die Zahl der als Gefährder eingestuften Islamisten (mehr als 700) weit höher ist als die der Rechten. In der vergangenen Woche waren dies 41 Personen. BKA-Chef Münch erklärte die Diskrepanz einmal vor Abgeordneten damit, man habe in den vergangenen Jahren "keine Personen gehabt, die so extrem handlungsbereit erschienen wie im islamistischen Spektrum". Wie bei den Islamisten soll bei rechts künftig stärkere Überwachung, enge Zusammenarbeit und auch die Durchsetzung des sogenannten Al-Capone-Prinzips helfen. So nennt man in der Justiz die konsequente Verfolgung aller Straftaten; keine Einstellungen, auch nicht bei kleinsten Vergehen, um Extremisten das Leben schwer zu machen. Für dieses Vorgehen setzt sich vor allem Generalbundesanwalt Peter Frank ein.

Die ersten Signale aus den sonst oft eifersüchtigen Ländern sind positiv

In den kommenden Tagen will auch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) seine Vorschläge für eine Neuaufstellung im Bereich Rechtsextremismus vorlegen. BfV-Präsident Thomas Haldenwang hatte schon im vergangenen Dezember in der Süddeutschen Zeitung angekündigt, dass er die vergleichsweise kleine Rechtsextremismus-Abteilung seines Hauses binnen eines Jahres verdoppeln wolle.

Darüber hinaus geht es aber auch um eine bessere Zusammenarbeit der Behörden. Wie das BKA hat auch der Inlandsnachrichtendienst bereits vertrauliche Gespräche mit den Ländern begonnen, diese wachen oft eifersüchtig über ihre Zuständigkeiten. Die ersten Signale aber scheinen dieses Mal positiv zu sein, ein stärkeres Engagement des Bundes scheint nicht als Einmischung gesehen zu werden.

Zunächst allerdings liegen die Entscheidungen bei Seehofer, mit der Rückkehr aus dem Sommerurlaub wird er die neuen Vorschläge auf seinem Schreibtisch vorfinden. Die rechtspolitischen Forderungen müssen mit dem Justizministerium abgestimmt werden. Zu ihnen gehört auch der BKA-Wunsch nach einem neuen Straftatbestand, um gegen das Verfassen und Verbreiten von sogenannten Feindes- und Todes-Listen vorgehen zu können. Außerdem werden die Innenpolitiker und Haushaltsverantwortlichen im Bundestag informiert. Denn immerhin geht es auch um einen Stellenaufwuchs: Bis zu 440 zusätzliche Stellen seien für einen verstärkten Kampf gegen rechts notwendig, so das BKA. Entscheidungen werden im Herbst erwartet.

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SZ vom 19.08.2019/dit
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