Bischofssynode:Der Geschmack geschluckter Kröten

Dürfen Wiederverheiratete die Kommunion empfangen? Ein Kardinal reagiert gereizt auf kritische Fragen.

Von Matthias Drobinski, Rom

Da sitzen sie im kargen Saal des Bildungshauses Residenza Madri Pie, sechs Männer, schwarzgekleidet, eine Frau darunter. Die Fernsehleuchten zeichnen scharfe Schatten in die müden Gesichter. Man hat diskutiert und gerungen, schlaflos, bis zuletzt. Herausgekommen ist ein anständiges Ergebnis, kein Desaster, aber auch kein Triumph. Vor den Journalisten lobt man das Historische des Erreichten und schluckt den Geschmack hinunter, den geschluckte Kröten zu hinterlassen pflegen. "Ich finde diesen Text wirklich einen Schritt nach vorn", sagt der Münchner Kardinal Reinhard Marx, einer der Männer da vorne. Das, was bei dieser Familiensynode im Vatikan passiert ist, habe es so noch nicht gegeben, sagt der Wiener Kardinal Christoph Schönborn.

Nur, dass die Journalisten immer nach den Kröten fragen. Warum gibt es keinen klaren Weg für Wiederverheiratete, die zu den Sakramenten zugelassen werden wollen? Warum steht da nichts über Homosexuelle? Bei der dritten Frage nach den Geschiedenen platzt Schönborn der Kragen: Jeden Tag kämen Familien in Not nach Österreich und Deutschland - gebe es da nicht wichtigere Themen als ein Detailproblem aus den Beratungen? Ziemlich sicher sogar. Das allerdings macht die Frage nicht weniger berechtigt.

Wie die Kirche künftig mit Geschiedenen umgeht, die wieder geheiratet haben, war nun einmal eine dieser symbolisch aufgeladenen Fragen. Und der Vorschlag des emeritierten Kurienkardinals Walter Kasper, im Einzelfall Wiederverheiratete zu den Sakramenten zuzulassen, ist nun einmal nicht in den Text des Abschlussdokuments gekommen. Dort heißt es jetzt, Katholiken in zweiter Ehe müssten "mehr in die christlichen Gemeinden integriert werden". Sie sollen sich "nicht exkommuniziert fühlen", es solle auch überlegt werden, "wie die verschiedenen Formen des Ausschlusses, die derzeit in liturgischem, pastoralem, schulischem und institutionellem Bereich bestehen, überwunden werden können". Wichtig sei es, "die verschiedenen Situationen gut zu unterscheiden", wie also eine Trennung verlaufen sei oder die ehemaligen Partner sich um die Kinder kümmern. Weiter heißt es: "Der Weg des Begleitens und der Unterscheidung führt diese Gläubigen zur Gewissensentscheidung über ihre Lage vor Gott." Dann müsse mit dem Priester geklärt werden, "was die Möglichkeit einer volleren Teilnahme am Leben der Kirche ermöglicht".

Das kann immerhin als möglicher Weg zum Kommunionempfang verstanden werden. Auch deshalb waren diese Abschnitte in dem insgesamt 95 Paragrafen umfassenden Text bis zuletzt umstritten. Noch am Freitagabend war offenbar nicht sicher, ob die entsprechenden Abschnitte 84, 85 und 86 die für die Annahme notwendige Zweidrittelmehrheit erhalten würden; mehrere Bischöfe plädierten dafür, hier schärfer klarzustellen, dass Geschiedene, die wieder heiraten, von den Sakramenten ausgeschlossen sind. Bei der Schlussabstimmung gab es 72, 80 beziehungsweise 64 Gegenstimmen, die Zweidrittelmehrheit war aber geschafft.

XIV Ordinary Meeting of the Synod of Bishops

Die Familie im Blick: Papst Franziskus bei der Abschlussmesse der Synode am Sonntag.

(Foto: Ettore Ferrari/dpa)

Die wenigsten Worte verliert das Dokument über die Homosexualität - ein Abschnitt wiederholt lediglich die Formulierung im katholischen Katechismus, wonach Schwulen und Lesben mit Achtung und Respekt zu begegnen sei und sie nicht diskriminiert werden dürften. Die kulturellen Unterschiede zwischen Westeuropäern und Nordeuropäern sowie Afrikanern und Osteuropäern seien zu groß gewesen, sagt Schönborn dazu. Freundlicher urteilen die Synodenväter über Ehen ohne Trauschein: Gerade auf dem Weg hin zur Ehe dürften sie nicht nur negativ gesehen werden.

Das Abschlussdokument der Familiensynode sei "ein großes Ja zur Ehe", sagt Kardinal Schönborn

Das ist der Ton, der sich durch das Abschlussdokument zieht - der "ein großes Ja zur Ehe" ist, wie Schönborn sagt. Es vermeidet eine rigoristische Sprache und harte Urteile. "Paare und das Eheleben sind keine abstrakten Wirklichkeiten, sie bleiben imperfekt und verletzlich", heißt es gleich zu Anfang des Textes. Ausdrücklich spricht der Text von einer "Berufung der Familie". Das ist bemerkenswert: Den Begriff Berufung verwendet die katholische Kirche sonst bei Priestern und Ordensleuten; theologisch wird die Ehe also aufgewertet. Breiten Raum nehmen die Gefährdungen der Familie durch Krieg, Flucht und Vertreibung ein, durch Armut, sexuelle Gewalt und eine "Kultur des Wegwerfens". Insgesamt betont das Papier den Wegcharakter der Seelsorge, die Menschen in ihren Lebenslagen begleiten müsse. Der Text spricht von einer "Dynamik der Barmherzigkeit". Auf die sehr unterschiedlichen Situationen in den verschiedenen Ländern der Welt müsse die Kirche mit einer "differenzierten Pastoral" antworten.

Am Samstag, nach der dann doch glücklich verlaufenen Abstimmung, hat Papst Franziskus noch einmal das Wort ergriffen. Ja, es habe Konflikte gegeben, aber es habe sich gelohnt. Es gehe nicht darum, die katholische Ehelehre zu relativieren. Aber: "Die Erfahrung der Synode hat uns besser verstehen lassen, dass die wahren Verteidiger der Lehre nicht jene sind, die den Buchstaben verteidigen, sondern den Geist; nicht die Idee, sondern den Menschen." Und: "Erste Aufgabe der Kirche ist nicht, zu verurteilen, sondern die Barmherzigkeit Gottes zu verkünden."

Dann sind die Bischöfe aufgestanden und haben Franziskus applaudiert - dem Papst, der nun entscheiden muss, wie es weiter geht.

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