Bin Laden: Streit um Foto-Beweis:Obamas vorsorgliche Zensur

US Präsident Barack Obama hat sich entschlossen, die Fotos des toten Osama bin Laden unter Verschluss zu halten. Seine Skrupel sind verständlich, und seine Begründung ist ehrenwert. Dennoch ist die Entscheidung falsch - und wird auf Dauer nicht haltbar sein.

Reymer Klüver

Präsident Barack Obama hat sich entschlossen, die Fotos des toten Osama bin Laden unter Verschluss zu halten. Seine Skrupel sind verständlich, und seine Begründung ist ehrenwert. Dennoch ist die Entscheidung falsch.

Obama dürfte in einer Hinsicht absolut recht haben: Verschwörungstheoretiker werden sich auch von Bildern des toten Terrorchefs nicht abhalten lassen, den Wiedergänger Bin Laden überall auf der Welt zu sichten: in den Bergen Afghanistans, in seiner saudischen Heimat, selbst in dunklen Verliesen der CIA.

Insofern ist es egal, ob die Bilder zugänglich sind oder nicht. Im Zeitalter von digitalen Manipulationstechniken ist der Wert von Fotos zudem höchst begrenzt. Den US-Präsidenten dürfte allerdings weniger die Sorge drücken, dass die Welt den USA nicht glauben könnte, den Mastermind von al-Qaida ausgeschaltet zu haben.

Er macht sich vielmehr Gedanken um das Image Amerikas: dass viele die Veröffentlichung der Fotos eines blutigen Leichnams als Präsentation einer Jagdtrophäe missverstehen könnten. Obama ist jeder Anschein von Hurra-Patriotismus zuwider, der seinem Vorgänger bekanntlich nicht fremd war.

Und sicherlich könnten die Bilder als Mittel zur Rekrutierung neuer Terror-Eleven missbraucht werden. Das sind alles gute Argumente. Dennoch bleiben die Fotos des toten Bin Laden wichtige Dokumente der Zeitgeschichte.

Sie markieren das Ende einer bis zum Krieg eskalierten Verbrecherjagd, die die Welt verändert und das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts geprägt hat. Sie nicht zugänglich zu machen, hinterlässt eine Leerstelle und ist ein merkwürdiger Akt vorsorglicher Zensur. Die Entscheidung Obamas wird auf Dauer nicht haltbar sein.

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