Süddeutsche Zeitung

Bildungspolitik:Stets bemüht, trotzdem mangelhaft

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Die Bundesschülerkonferenz hat Ministerin Anja Karliczek ein Zeugnis ausgestellt. In "Digitales" bekommt sie eine Fünf.

Interview von Susanne Klein

SZ: Herr Hammoud, die Bundesschülerkonferenz in Berlin hat Bildungsministerin Anja Karliczek ein Zeugnis ausgestellt. Was steht drin?

Usamah Hammoud: Zum Beispiel eine ungenügende Mitarbeitsnote. Frau Karliczek hat bei vier Terminen unentschuldigt gefehlt. Sie hat seit ihrem Amtsantritt keine einzige Bundesschülerkonferenz besucht, obwohl sie immer eingeladen war. Ab- oder zugesagt hat sie auch nicht.

Was wollten Sie denn mit ihr besprechen?

Wir wären vor allem gern an den Entscheidungsprozessen zum Digitalpakt Schule und zum Schüler-Bafög beteiligt gewesen. Mir fehlt jegliches Verständnis dafür, dass Frau Karliczek bei Schulthemen auf Bundesebene von uns Schülern Akzeptanz fordert, uns aber komplett außen vor lässt. Deswegen mussten wir ihr im Fach Digitalisierung leider ein "mangelhaft" geben.

Zweifeln Sie am guten Willen der Bundesbildungsministerin?

So weit würde ich nicht gehen. Immerhin steht im Zeugnis die Bemerkung: Bei dem Versuch der Bewältigung ihrer Aufgaben ist Anja stets bemüht.

In Arbeitszeugnissen drückt "stets bemüht" eine ungenügende Leistung aus.

Das Zeugnis soll nicht so klingen, als wollten wir Frau Karliczek rügen. Aber wir fordern Mitspracherechte. Schließlich sind wir nicht irgendein Schülerklub, sondern legitimierte Mandatsträger. Die Bundesschülerkonferenz vertritt die Interessen der Landesschülervertretungen, sie ist die Stimme von fast zehn Millionen Schülern. Das sollte doch gewichtig genug sein, damit eine Bildungsministerin sagt, okay, wir hören uns mal an, was die zu schülerrelevanten Themen, bei denen der Bund eingespannt ist, zu sagen haben.

Wird Anja Karliczek zur nächsten Bundesschülerkonferenz wieder eingeladen?

Selbstverständlich. Ihr Zeugnis enthält sogar die Empfehlung, daran teilzunehmen.

Die nächste Konferenz ist aber erst im Herbst.

Wir hoffen natürlich, dass sie nicht so lange wartet, sondern sich sofort auf die Schülerinnen und Schüler zubewegt. Nicht zuletzt, weil wir jetzt in Deutschland durch die "Fridays for Future" eine wichtige Debatte um die Jugendpartizipation haben. Da wäre es doch mal ein guter Anfang, legitimierte Schülervertreter in die politischen Prozesse einzubeziehen. Ein Zeichen des Entgegenkommens für die jungen Menschen, die sich in diesem Land engagieren.

Was, wenn die Hoffnung unerfüllt bleibt?

Das wäre eine Enttäuschung. Das Zeugnis ist ein Halbjahreszeugnis, ein Warnschuss zur Hälfte der Legislaturperiode. Anja Karliczek sollte unsere Hinweise auf das, was sie versäumt hat, ernst nehmen und ihre Versäumnisse nachholen.

Sonst?

Sonst ist sie stark versetzungsgefährdet. Das kann weder sie wollen, noch die Erziehungsberechtigten, die das Zeugnis unterschreiben müssen.

Das Zeugnis trägt eine Unterschriftszeile für Erziehungsberechtigte?

Sicher, das gehört dazu. Wir haben an alles gedacht.

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Quelle:
SZ vom 18.06.2019
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