Süddeutsche Zeitung

Bildungspolitik der CDU:Das zerstrittene Klassenzimmer

Aus wahltaktischen Gründen will Merkel der Bildungspolitik neuen Schwung verleihen - doch ausgerechnet aus den CDU-Ländern schlägt der Kanzlerin Protest entgegen.

S. Braun

Angela Merkel hat genau hingesehen. Sie hat Wahlanalysen studiert, hat sich die Ergebnisse der jüngsten Landtagswahlen erklären lassen - und daraus Schlüsse gezogen.

Erstens: Wenn die Leute die Bildungspolitik schlecht finden, bestrafen sie die Regierung. Zweitens: In vielen Bundesländern ist die Bildungspolitik so umstritten, dass das auch auf die Bundestagswahl 2009 ausstrahlen könnte. Als Kanzlerin, so ihr Resümee, muss sie sich fortan besonders kümmern.

Aus dieser Stimmung heraus entstand Merkels Rede zur Bildungsrepublik Deutschland, gehalten im Frühjahr und gepaart mit der Ankündigung, sie werde Kitas, Schulen und Universitäten besuchen, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Zur Krönung des Ganzen wurde der schon länger geplante Qualifizierungsgipfel zum Bildungsgipfel umgewidmet - als besonderes Zeichen der Entschlusskraft und der Volksnähe. Beides will sie besonders beweisen.

Wenn sich jetzt am Mittwoch die Kanzlerin mit den Länderchefs in Dresden treffen wird, könnte aus der großen Botschaft eine ziemlich kleine werden. Die Länder und der Bund haben sich massiv verhakt, ein Bündnis für den großen Wurf ist noch nicht in Reichweite.

Das Geld trennt, statt zu verbinden

Im Gegenteil, bislang sind beide Seiten regelrecht zerstritten. Die Länder würden zusätzliches Geld vom Bund durchaus nehmen, aber sie wollen sich von Berlin nichts vorschreiben lassen. Einen größeren Anteil an der Umsatzsteuer würden sie nicht zurückweisen - sich auf Ausbauprogramme zu verpflichten, das lehnen die Bundesländer hingegen ab.

Selbst die Idee, gemeinsam eine Stiftung zu gründen und mit Geld auszustatten, wird bisher brüsk zurückgewiesen. So entfällt eine weitere Möglichkeit, aktiv zu werden. "Das kommt mit uns nicht in Frage", schimpft der Ministerpräsident eines großen Landes. Das Geld trennt, statt zu verbinden.

So entsteht der Eindruck, dass Merkel insbesondere in CDU-regierten Ländern nicht Aufbruchstimmung und Elan, sondern Widerstand ausgelöst hat. Zu stark hat sie das Gefühl erzeugt, dass sie sich doch in deren Kernkompetenz Bildung einmischen möchte.

Merkel hat zwar betont, es gehe ihr nicht darum, sie habe keinerlei Interesse, daran was zu ändern. Aber sie hat wie Bundesbildungsministerin Annette Schavan gesagt, dass die Bevölkerung erwarte, die Probleme zu lösen. Gebe es welche, müsse man diese ungeachtet der Kompetenzen bekämpfen.

Im Rückblick ist das geschickt und gefährlich gewesen. So jedenfalls ist es in vielen Staatskanzleien zu hören. Geschickt, weil eine gute Stimmung für Merkel aktiviert worden sei - und gefährlich, weil sich in der Bevölkerung der Eindruck erst festsetzte, dass es bei der Bildung wirklich Probleme geben könnte. "Die Kanzlerin hat so lange von neuen Notwendigkeiten gesprochen, bis alle glaubten, dass es so, wie es ist, nicht weitergehen könnte", schimpft der Chef einer Staatskanzlei.

Ein weiteres Problem ist aufgetreten, das alle in der CDU am liebsten verschweigen würden: Dass die Union, anders als behauptet, keine einheitliche Bildungspolitik hat. Ein Manko, das bisher mit dem Begriff Wettbewerb der Länder umschrieben - und getarnt - wurde. Ob bis Mittwoch noch was geschieht, ist völlig offen.´

Hoffnung setzt mancher in die Idee, sich auf die Jüngsten und die frühkindliche Bildung zu konzentrieren. Dort ist die Kompetenz nicht eindeutig verteilt, auch die Familienministerin könnte hier was für den Bund reklamieren. Dass die das Feld im Blick hat, bewies sie bereits. Vor wenigen Tagen war Ursula von der Leyen in Paris und schaute sich mit ihrer Kollegin an, was auf diesem Feld in Frankreich getan wird.

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SZ vom 20.10.2008/aho
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