Bildung:Tafel statt Tablet

Computer für alle Schüler und schnelles Internet: Der Digitalpakt soll Schulen für die Zukunft rüsten. Nun steht er auf der Kippe. Einige Länder wollen nicht dafür zahlen - obwohl ihre Kassen prall gefüllt sind.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Digitalisierung in der Schule

So wie in diesem Klassenraum in einer Grundschule in Schüttorf könnte es bald in allen Schulen aussehen - falls der Digitalpakt umgesetzt wird.

(Foto: Friso Gentsch/dpa)

Alle Schüler, die sich darauf gefreut hatten, bald mit modernen Computern lernen zu können, müssen weiter warten. Zwar beschloss der Bundestag am Donnerstag mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von Union und SPD sowie den Grünen, der FDP und der Linken, das Grundgesetz so zu ändern, dass der Bund in Bildung investieren darf. Das endgültige Go aus der Länderkammer aber steht aus. Weil einige Bundesländer sich plötzlich weigern, die Zuschüsse des Bundes durch einen eigenen Anteil aufzustocken, ist das Vorhaben gescheitert, am 1. Januar 2019 den "Digitalpakt Schule 2019 bis 2023" zu starten. Fünf Milliarden Euro, die für schnelles Internet, Tablets, Computer und Schulungen der Lehrer vorgesehen sind, liegen weiter brach.

Eigentlich hatte man so geplant, dass die Kultusministerkonferenz in der kommenden Woche den Digitalpakt abzeichnen sollte. Zwischenzeitlich haben jedoch vier Länder offiziell angekündigt, der noch nötigen Grundgesetzänderung im Bundesrat nicht zuzustimmen. Das sind neben Bayern und Baden-Württemberg noch Schleswig-Holstein und Hessen. Weitere Länder seien noch unsicher, hieß es am Donnerstag in Berlin. Damit käme die nötige Zweidrittelmehrheit nicht zustande. Man gehe davon aus, hieß es weiter in Berlin, dass der Bundesrat auf seiner letzten Sitzung in diesem Jahr am 14. Dezember den Vermittlungsausschuss anrufen werde. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther sagte, es gebe "noch Gesprächsbedarf". Er stört sich insbesondere daran, dass die Haushaltspolitiker des Bundestags "in letzter Minute noch Änderungen in den Gesetzentwurf aufgenommen" hätten, die mit den Ländern nicht abgestimmt worden seien.

Der Streit dreht sich um die vom Bund geforderte Ko-Finanzierung der Bundeszuschüsse durch die Länder. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte am Donnerstag in der Debatte zur Grundgesetzänderung im Bundestag, "ich würde die Länder bitten, sich das mal ohne große Aufregung anzuschauen". Tatsächlich hatten die Haushaltspolitiker von Union, SPD, Grünen, FDP und Linken sich darauf geeinigt, die entsprechenden Artikel des Grundgesetzes so zu ändern, dass die Länder bei der Bildung weiter mitzahlen müssen. "Die Mittel des Bundes sind in jeweils mindestens gleicher Höhe durch Landesmittel für den entsprechenden Investitionsbereich zu ergänzen; sie sind befristet zu gewähren und hinsichtlich ihrer Verwendung in regelmäßigen Zeitabständen zu überprüfen", soll es künftig in Artikel 104b, Satz 5 heißen. Aus den Fraktionen hieß es dazu, der Bund habe aus Fehlern der Vergangenheit gelernt, als er den Ländern Geld für die Kommunen überwiesen hatte, das dann zweckentfremdet wurde. Ein Beispiel sind die Zuschüsse des Bundes zum Bafög, die man nicht an die Studenten weitergab, sondern zum Stopfen von Haushaltslöchern benutzte.

Bisher darf der Bund maximal über Zuschüsse Schulen sanieren oder wärmedämmen

Der Bund weist seit einigen Jahren darauf hin, dass die Länderkassen prall gefüllt sind. Bis auf Bremen erwirtschaften alle Bundesländer satte Überschüsse. Der Bund wird von 2020 an jährlich mehr als zehn Milliarden Euro zusätzlich überweisen - aufgrund des neu verhandelten Länderfinanzausgleichs. Es wäre also ausreichend Geld da, um die digitalen Projekte zu finanzieren. Zudem kalkulieren die Steuerschätzer, dass die Länder in den kommenden fünf Jahren, anders als der Bund, weiter mit zusätzlichen Steuereinnahmen rechnen können.

Was die Verweigerung der Länder erst recht unverständlich macht, ist die Tatsache, dass die 50-50-Finanzierung für den Digitalpakt noch gar nicht gelten soll. Es gibt eine Übergangsregelung, die besagt, dass "Finanzhilfen, die auf einer bis 31. Dezember 2019 in Kraft getretenen Regelung beruhen", auch ohne die hälftige Mitfinanzierung der Länder auskommen. Für den Digitalpakt heißt das, dass es bei der bisher üblichen 90-10-Finanzierung zulasten des Bundes bliebe. Der geleistete Verwaltungsaufwand der Länder würde als Eigenanteil anerkannt.

Baden-Württemberg hatte schon vor Wochen angekündigt, der nötigen Grundgesetzänderung nicht zuzustimmen. Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann kritisierte sie als "Frontalangriff auf den Bildungsföderalismus". Im deutschen föderalen System ist Bildung Ländersache. Der Bund darf bisher maximal über finanzielle Zuschüsse Schulen sanieren oder wärmedämmen. Durch die Änderung des Grundgesetzes soll es künftig auch erlaubt sein, in die Ausstattung und die Ausbildung zu investieren. Die Länder bleiben für die Auswahl, das Einstellen und alle anderen bisherigen Aufgaben zuständig.

Scholz lobte am Donnerstag, dass die Fraktionen im Bundestag ihre "politische Selbstsucht" überwunden und der Grundgesetzänderung zugestimmt hätten. FDP-Partei- und Fraktionschef Christian Lindner sprach von einer guten Nachricht, dass "die staatstragenden Parteien" sich zusammengerauft hätten. Sogar die Linke stimmte in die gemeinsame Freude ein.

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