Süddeutsche Zeitung

Digitale Bildung in der Corona-Krise:Esken geht auf Konfrontationskurs zur Union

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Die SPD-Vorsitzende wirft der CDU-Bildungsministerin gravierende Versäumnisse beim Ausbau digitaler Bildungsangebote in der Corona-Krise vor. Sie sei "fassungslos".

Von Boris Herrmann und Mike Szymanski, Berlin

Vor dem Spitzentreffen zur Zukunft der digitalen Bildung an diesem Montag mit Kanzlerin Angela Merkel geht die SPD auf Konfrontationskurs zum Koalitionspartner Union. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken greift in scharfen Worten Bundesbildungsministerin Anja Karliczek an und wirft der CDU-Politikerin gravierende Versäumnisse beim Ausbau digitaler Bildungsangebote in Zeiten der Corona-Krise vor. "Dass sie jetzt erstmals zu einer Veranstaltung zur digitalen Bildung einlädt, lässt mich und wahrscheinlich auch viele Lehrkräfte, Eltern und Schülerinnen und Schüler fassungslos zurück", sagte Esken der Süddeutschen Zeitung am Sonntag.

Seit mehr als einem Jahr lebe man nun mit Corona und den Einschränkungen, die diese weltweite Pandemie gerade für die Schulen mit sich bringe. Dabei sei "ein eklatanter Mangel an digitalen Infrastrukturen und Konzepten" offensichtlich geworden, sagte Esken: "Vor gerade einmal einer Woche hat die im Bund zuständige Bildungsministerin nun offenbar erkannt, dass unsere Schulen moderner und digitaler werden müssen."

An diesem Montag will Anja Karliczek gemeinsam mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem Online-Dialog die "Initiative Digitale Bildung" vorstellen. "Unser Ziel ist es, das Lernen mit digitalen Angeboten weiter zu verbessern, und das Wissen über die wichtigsten Felder der Digitalisierung zu stärken", sagte Merkel am Samstag in ihrem wöchentlichen Video-Podcast. Die Kanzlerin kündigte darin eine "nationale Bildungsplattform" an, die den Zugang zu bereits bestehenden digitalen Bildungsangeboten erleichtern soll. Das Angebot richte sich an Menschen "in jedem Alter und mit jeder Vorbildung", sagte Merkel.

Auch Anja Karliczek will der Bildung in der digitalen Welt jetzt "einen weiteren Schub" geben, wie es in ihrer Einladung zu dem Gespräch mit Experten aus dem Bildungssektor und der Wirtschaft heißt. Auch Britta Ernst (SPD), die Bildungsministerin von Brandenburg und Präsidentin der Kultusministerkonferenz, wird dabei sein. Die Teilnahme Merkels wird von Beobachtern als Signal aufgefasst, dass die Kanzlerin das Thema digitale Bildung jetzt zur Chefsache machen will. Der Aufbau einer nationalen Bildungsplattform ist aber ein strategisches Langzeitprojekt, das eher keine unmittelbaren Auswirkungen auf die aktuellen Missstände an deutschen Schulen haben dürfte.

Der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken geht das alles nicht schnell genug. "Angesichts der dramatischen Lage und dem Unterstützungsbedarf der Schulen unter den Bedingungen der Corona-Pandemie muss man leider feststellen: Die Bildungsministerin betreibt Politikverweigerung." Die SPD habe "trotz fremder Ressortzuständigkeit immer wieder Vorschläge und Initiativen für eine digitale Bildung vorgelegt". Auch wenn Schulpolitik Ländersache sei und bleibe: "Das bedeutet aber nicht, dass eine Bildungsministerin im Bund über Jahre untätig bleiben muss", sagte Esken. Bereits im Koalitionsvertrag sei vereinbart worden, in den Ausbau einer digitalen Infrastruktur "von Weltklasse" zu investieren und die Vermittlung von digitalen Fähigkeiten "als Schlüsselkompetenz" voranzutreiben wollen.

Eskens Kritik an der Bundesbildungsministerin reiht sich ein in die jüngste Serie von verbalen Attacken führender Sozialdemokraten gegen den Koalitionspartner von CDU und CSU. In Unionskreisen wird das als Zeichen gesehen, dass die SPD gut sieben Monate vor der Bundestagswahl den Wahlkampfmodus eingelegt hat.

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