Süddeutsche Zeitung

Bildung:Das Bistum, das kaum gerechnet hat

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Die Hamburger Erzdiözese folgt den Empfehlungen von Unternehmensberatern und will bis zu acht Schulen schließen. Die katholische Kirche im Norden ist hoch verschuldet - der Grund dafür ist Saumseligkeit.

Von Thomas Hahn, Hamburg

Ansgar Thim hat gerade eine Tournee hinter sich, auf die er gerne verzichtet hätte. Der Generalvikar des Erzbistums Hamburg hat in den vergangenen Tagen jene acht katholischen Schulen besucht, welche seine Kirche aus finanziellen Gründen aufgeben will. Vor wütenden Lehrern und Eltern sprach er, nahm Sorgen auf, warb um Nachsicht. Am Donnerstag beschloss er die Reihe der Informationsveranstaltungen in der Katholischen Grund- und Stadtteilschule Altona. Die Stimmung war frostig, Kritik und Unverständnis schlugen Thim und seinen Begleitern entgegen wegen dieses heftigen Einschnitts, den Thim "unumgänglich" nennt.

Schulen bilden das Fundament jeder Gesellschaft, wenn sie schließen, lässt das niemanden kalt. Ganz Hamburg ist deshalb empört über die Entscheidung des Bistums, von 21 Schulen fünf auf jeden Fall und drei wahrscheinlich zu schließen; zumal ärmere Stadtteile betroffen sind. Vor allem Schüler und Eltern fühlen sich überrumpelt. Auch für Schulsenator Ties Rabe (SPD) kam die Entscheidung sehr plötzlich und vorschnell. Außerdem verstehen viele die Not des Erzbistums Hamburg nicht: Seit 2009 verzeichnet es einen stetigen Anstieg der Mitgliederzahlen. Die Kirchensteuer-Einnahmen sprudeln. Und Barbara Duden, die bildungspolitische Sprecherin der SPD, findet das Minus "umso bedauerlicher", da 2008 der damalige CDU-Senat der katholischen Kirche laut SPD "mehrere Grundstücke mitsamt Schulgebäuden kostengünstig beziehungsweise sogar teilweise umsonst überlassen" habe.

"Es wurde zu wenig auf die tatsächlichen Verhältnisse geschaut", sagt der Generalvikar

Aber die Unternehmensberatung Ernst & Young hat eben festgestellt, dass das Erzbistum Schulden von 79 Millionen Euro drücken, die ohne Einsparungen bis 2021 auf 353 Millionen Euro anschwellen würden. Grund: Pensionsverpflichtungen für die Lehrer, welche die katholische Kirche im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit verbeamtet. Und ein Investitionsstau bei den tausend Immobilien des Erzbistums. Dass es so weit kam, erklärt die Kirche mit den Rahmenbedingungen in der norddeutschen Diaspora und mit fehlender Weitsicht. Das Erzbistum Hamburg wurde 1995 infolge der Wende aus Teilen der Bistümer Osnabrück und Hildesheim gegründet, es umfasst Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg. Es ist das jüngste und flächenmäßig größte Erzbistum Deutschlands, gleichzeitig umfasst es relativ wenige Katholiken, etwa 400 000.

Der Betrieb aller kirchlichen Einrichtungen war da einfach zu teuer, und die Kirchenleute hatten kein Gespür für den Kostendruck. "Es wurde in der Vergangenheit zu wenig genau auf die tatsächlichen Verhältnisse geschaut", sagt Thim. "Zukünftige Entwicklungen wurden in die Entscheidungen zu wenig einbezogen."

Die Klage über den Einschnitt begleitet eine Debatte über die staatliche Förderung privater Schulen. Die Schulbehörde findet diese auskömmlich. "2017 finanzierte die Stadt die katholischen Privatschulen mit 52,4 Millionen Euro für 9027 Schüler", sagt ein Sprecher. Im Vergleich zur Förderung für die Schüler staatlicher Schulen sei bei dieser Summe noch Spiel nach oben, meint dagegen die katholische Kirche als größter freier Schulträger Hamburgs. Außerdem fordert sie, dass die Stadt freie Schulen grundsätzlich an ihren Investitionsprogrammen für Schulen beteiligt.

Letzte Rettungsversuche laufen. Stadt und Kirche sind im Gespräch. Und eine Gruppe von Hamburger Katholiken hat für Freitag angekündigt, einen Vorschlag zum gedeihlichen Umbau des katholischen Schulwesens vorzulegen. Sie wollen es nicht zulassen, dass die Vorstellung von Unternehmensberatern zum Maßstab für christliche Bildung wird.

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SZ vom 02.02.2018
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