Bilder der Nacht:Der Nervenkrieg von Minsk

Am Ende stand wenigstens ein Waffenstillstand - wieder einmal: Doch bis sich die Verhandlungsparteien in der weißrussischen Hauptstadt auf diesen Minimalkonsens einigen konnten, war es ein langer Weg.

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Quelle: AFP

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Es begann: mit einem Klassenfoto. Ähnlich bedröppelt wie Fünftklässler stehen Kanzlerin Angela Merkel, Russlands Präsident Wladimir Putin, sein ukrainisches Pendant Petro Poroschenko, Frankreichs Präsident François Hollande und der Gastgeber, der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko, beim gemeinsamen Fototermin da. Zuversicht sieht anders aus. Die Teilnehmer des Minsker Gipfels stellten sich auf harte Verhandlungen ein. Und genau so kam es dann auch.

Leaders of Russia, France, Ukraine, Germany and Belarus walk after a meeting in Minsk

Quelle: REUTERS

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Wie fragil die Gesprächssituation den ganzen Mittwochabend über bleiben wird, zeigte sich schon am Mittag. Erst nach langem Hin und Her hatten sich die vier Staats- und Regierungschefs überhaupt entschieden, tatsächlich nach Minsk aufzubrechen. Schon die Vorgespräche der engsten Berater in Berlin und Minsk waren äußerst zäh verlaufen.

Erschwerend kam hinzu, dass während der Vorverhandlungen die Kämpfe in der Ostukraine unvermindert fortgesetzt wurden. Allein in den letzten 24 Stunden vor dem Minsker Treffen wurden mehrere Dutzend Menschen getötet, darunter erneut auch Zivilisten, die nach einem Mörserangriff auf eine Bushaltestelle in Donezk starben.

Petro Poroshenko

Quelle: AP

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Die Verhandlungen kamen dann auch wie erwartet zunächst nur sehr mühsam voran, was den Teilnehmern, wie hier Poroschenko, auch anzusehen war. Die Gespräche zogen sich über Stunden hin; auch nach Mitternacht war noch offen, ob das Treffen am Ende erfolgreich sein oder scheitern würde.

Die Verhandlungspartner standen unter großem Druck. Für ein Scheitern hatten alle Beteiligten Konsequenzen angedroht. So schloss der ukrainische Präsident Poroschenko die Einführung des Kriegsrechts nicht aus. Er kündigte an, auch gegen Feinde im Inneren kompromisslos vorgehen zu wollen.

Die Verhängung des Kriegsrechts hätte bedeutet, dass Kompetenzen der gesetzgebenden Gewalt auf die Regierung übergehen und Bürgerrechte eingeschränkt werden. Poroschenko hatte bereits vor den Verhandlungen klar gemacht, dass er eine Waffenruhe ohne Vorbedingungen will.

Ukraine peace negotiations in Minsk

Quelle: dpa

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Der Westen ist der festen Überzeugung, dass Putin die prorussischen Rebellen in der Ostukraine unterstützt. Trotzdem sorgte die Ankunft ihrer Anführer, Alexander Sachartschenko und Igor Plotnizki, kurzzeitig für ein wenig Hoffnung. Sie wurden nicht direkt an den Verhandlungen der Staatschefs beteiligt, sollten aber sofort mit in die Pflicht genommen werden, wenn es am Ende zu einer Einigung kommen sollte.

Doch die positiven Anzeichen verflüchtigten sich bald schon wieder. In der Nacht zu Donnerstag sollen die Gespräche wieder ins Stocken geraten sein. Wie es hieß, stellte sich Kremlchef Putin quer. Zwischenzeitlich baten die vier Staats- und Regierungschefs ihre Außenminister dazu. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier reiste deshalb nicht wie ursprünglich geplant am Mittwochabend nach Südamerika. Den Start seiner Reise ließ das Auswärtige Amt zunächst offen.

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Quelle: AP

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Journalisten warteten die ganze Nacht in Minsk auf Ergebnisse. Jeden Moment hätte der Gipfel zu einem Ergebnis kommen oder scheitern können. Am frühen Donnerstagmorgen teilte Waleri Tschaly aus Poroschenkos Präsidialverwaltung mit, die Gespräche könnten noch "mindestens fünf oder sechs Stunden" dauern.

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Quelle: AP

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Ohne wenigstens eine Einigung auf eine Feuerpause könne man den Konferenzort nicht verlassen, teilte Tschaly weiter mit. Daher werde gerade "ein Nervenkrieg" geführt, twitterte er. "Schlafen ist jetzt für Schwächlinge", fügte er hinzu.

Petro Poroshenko, Angela Merkel, Francois Hollande, Vladimir Putin, Alexander Lukashenko

Quelle: Sergei Grits/AP

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Fotografen und Journalisten versuchten den ganzen Abend und die Nacht über, an Informationen über den Verhandlungsstand zu kommen. Jeder Schnipsel und jedes Foto, das nach außen drang, wurde Objekt von Spekulationen. Lächelt Putin hier mit Lukaschenko, weil er seinen Verhandlungspartnern Zugeständnisse abringen konnte? Oder gibt es einen echten Durchbruch? Und warum schauen Merkel und Hollande so resigniert drein?

Vladimir Putin

Quelle: AP

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Dann die Erlösung am Morgen: Putin verkündet einen geplanten Waffenstillstand. Die Kontaktgruppe aus Vertretern Moskaus, Kiews und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) unterzeichneten ein Abkommen mit den prorussischen Separatisten.

So soll im Donbass von diesem Sonntag 0.00 Uhr an eine Waffenruhe gelten. Außerdem wurde der Abzug schwerer Artillerie vereinbart. Journalisten vor Ort berichten zudem, dass es eine Einigung über den künftigen Austausch von Gefangenen geben wird. Damit würde das Papier grundsätzlich die Inhalte des am 5. September bereits beschlossenen Minsker Abkommens beinhalten, in dem sich die Konfliktparteien schon einmal auf einen Waffenstillstand geeinigt hatten (im Überblick).

Germany's Chancellor Merkel embraces France's President Hollande during a meeting with the media after peace talks on resolving the Ukrainian crisis in Minsk

Quelle: REUTERS

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Wenn man die Bilder vom Beginn der Verhandlungen vergleicht, wirken Merkel und Hollande tags darauf erschöpft, aber erleichtert. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier bleibt trotz der Einigung aber skeptisch. "Noch immer können Gewaltexplosionen alles zunichtemachen. Die heutige Vereinbarung ist keine umfassende Lösung, und schon gar kein Durchbruch", heißt es in einem Statement von Steinmeier. Der SPD-Politiker machte deutlich, dass er sich mehr von dem Vierer-Gipfel erhofft hat. "Manchem wird das nicht reichen. Auch wir hätten uns mehr gewünscht. Aber es ist das, auf das sich heute Nacht die Präsidenten der Ukraine und Russlands einigen konnten."

© Süddeutsche.de//dayk
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