Kaiser Wilhelm II. rauchte ziemlich oft und gerne. Auf Schiffsfahrten, vor Fotografen posierend und, wie auf unserem Foto, hoch zu Ross beim Manöver. Selbst bei der Jagd - und trotz seines verkümmerten linken Armes - ließ es sich der Monarch nicht nehmen, zwischendurch an seiner Zigarette zu saugen.
Rauchen - das taten Wilhelms Vorfahren zumindest nicht vor den Augen der Untertanen. Noch wenige Jahrzehnte vor Wilhelms Geburt hatten sie den öffentlichen Tabakgenuss auf dem Preußen-Thron streng untersagt. Denn eine Zigarette war "ein Scepter der Ungeniertheit", wie die ultrakonservative Kreuzzeitung wetterte.
Im März 1848, während der Revolution, war "det Roochen" im Tiergarten deshalb auch eine der Hauptforderungen der aufgebrachten Berliner. Politisch bewegte sich zwar nicht viel, aber immerhin war fortan die Qualmerei unter freiem Himmel erlaubt.
Feine Herren pafften ihre Zigarren im Salon, auf der Straße galt das als unschicklich.
Wilhelms Vater Friedrich III., der anders als der Filius halbwegs liberale Ansichten hegte, qualmte auch viel - allerdings nicht vor den Untertanen. Er starb nach 99 Tagen auf dem Thron an Kehlkopfkrebs.
Ein Herrscher von Gottes Gnaden, der keiner Beratung bedarf
Die Zigarette kam erst nach und nach in Mode, gerade unter Künstlern, selbstbewussten, progressiven Bürgern, Bohemiens. Mehr und mehr Frauen griffen zum Glimmstängel, auch ein Zeichen der erwachenden Emanzipation.
Das alles war dem Kaiser ein Graus. Wilhelm II. verachtete Demokraten und Liberale. Er war hochmütig, flatterhaft, intolerant, immer wieder schwadronierte er leichtfertig von Krieg.
Reformen und Fortschritt fand der Kaiser vor allem dann gut, wenn es um militärische Weiterentwicklungen ging. Ansonsten verstand er sich als Herrscher von Gottes Gnaden, der keiner Beratung bedurfte.
Dafür scharte er eine Reihe von paranoiden Militärs und politischen Erfüllungsgehilfen um sich. Generalstabschef Helmuth Johannes Ludwig von Moltke - hier im Bild rechts zu sehen - war einer von ihnen. So schuf Wilhelm das Klima, in dem seine Kamarilla 1914 das Reich schnurstracks in den Ersten Weltkrieg führte.
Bei seinem Regierungsverständnis schaute er gerne auf seinen Großvater Wilhelm I., Jahrgang 1797. Opa wie Enkel waren Reaktionäre. Mit sich selbst war Wilhelm der Jüngere allerdings ganz und gar nicht streng.
Majestät erlaubte sich fast alles. Selbstverständlich brach er einfachste Umgangsformen. Wüst zog er über Freund und Feind und, natürlich, seine Mitarbeiter her.
Den von ihm geschassten Reichskanzler Otto von Bismarck nannte er einmal "Pygmäe und Handlanger". Der Kaiser mit dem Zwirbelbart moralisierte nach außen, pflegte aber selbst Affären mit Prostituierten und ergötzte sich in homoerotischen Tischgesellschaften.
Dass die schlanke Zigarette im Gegensatz zur Zigarre als feminin galt, hielt den Kaiser von der Kippe nicht ab. Und so rauchte Wilhelm der Letzte munter weiter im niederländischen Exil, nachdem die Revolution am Ende des Ersten Weltkriegs ihn vom Thron gefegt hatte.
Reich, Königs- und Kaiserkrone hatte er verloren - die Zigarette blieb.