Bilaterale Beziehungen:Der schwierige Umgang mit dem starken Mann Polens

Merkel Meets Polish Prime Minister Kaczynski

Alte Bekannte: Im Oktober 2006 trafen sich Angela Merkel und der damalige polnische Ministerpräsident Jarosław Kaczyński in Berlin.

(Foto: Getty Images)
  • In der Debatte um die Rechtsstaatlichkeit in Polen stellt sich Bundeskanzerlin Angela Merkel gegen den starken Mann Polens, Jarosław Kaczyński.
  • Das Verhältnis der beiden ist schon seit Längerem schwierig.
  • Doch Merkel hat viel investiert, damit es besser wird.

Von Nico Fried

Es ist nicht bekannt, ob ein Zusammenhang besteht. Fest steht jedoch, dass Angela Merkel am Dienstag mit Andrzej Duda telefoniert hat. Am Dienstagabend äußerte der polnische Präsident dann Vorbehalte gegen die vom Parlament verabschiedete Justizreform. Merkel hat zwar stets betont, dass es Aufgabe der Europäischen Kommission sei, die Vereinbarkeit der Reformen mit EU-Recht zu prüfen. Aber die Kanzlerin hat auch wiederholt erkennen lassen, dass sie skeptisch auf die Vorhaben der Regierung in Warschau blickt.

Freilich ist Merkel stets auf vorsichtige Formulierungen bedacht. Nichts mobilisiert den Zorn der nationalistischen Regierung und ihrer Anhänger mehr als der Verdacht deutscher Bevormundung. Zuletzt sprach man in Warschau vor wenigen Wochen von einem deutschen "Diktat", nachdem sich alle EU-Staaten außer Polen für eine erneute Amtszeit von Ratspräsident Donald Tusk entschieden hatten. Mit Blick auf die Justizreformen wählte die Kanzlerin deshalb im Februar eine historische Reminiszenz, um ihre Position zu veranschaulichen: Sie erinnerte an die Bedeutung der Gewerkschaft Solidarność in ihrer Biografie und für die Befreiung Osteuropas. Aus dieser Zeit wisse man, wie wichtig eine unabhängige Justiz und Medien seien.

Nicht zum ersten Mal sieht sich Merkel faktisch in einem Clinch mit Jarosław Kaczyński, Polens starkem Mann. Am Anfang dieser schwierigen Beziehung stand die Quadratwurzel. Dies war das entscheidende Element einer Formel, die der damalige polnische Ministerpräsident 2007 für die Gewichtung der Stimmen in der EU einführen wollte. "Quadratwurzel oder Tod" hieß die Losung Warschaus. Am Ende verständigten sich die EU-Staaten, aber für Merkel und Kaczyński galt: Man sieht sich immer zweimal im Leben. Mindestens.

Ein Treffen zwischen Merkel und Jarosław Kaczyński war geheim gehalten worden

Die Kanzlerin und die Kaczyński-Zwillinge - es gibt in Europa wohl keine anderen Politiker, mit denen das politische Verhältnis Merkels einerseits extrem schwierig war - und in das sie andererseits so viel investiert hat. Mit Lech Kaczyński, dem damaligen Präsidenten, und seiner Frau trafen sich Merkel und ihr Mann Joachim Sauer zur Verbesserung der persönlichen Chemie 2007 in der Nähe von Danzig zwei Tage lang quasi privat. Doch im April 2010 starb der Präsident bei einem Flugzeugabsturz.

Seit dem Sieg der Nationalisten bei den Wahlen 2015 hat Merkel wieder mit Jarosław Kaczyński zu tun. Er hält kein Staatsamt, ist aber Chef der Regierungspartei Pis. Neben mehreren Begegnungen mit Ministerpräsidentin Beata Szydło hat Merkel sich auch zweimal mit Kaczyński getroffen: Eine Begegnung im Juli 2016 in Meseberg war geheim gehalten und erst Monate später von der Nachrichtenagentur Reuters berichtet worden. Das zweite Treffen fand während eines Besuchs Merkels im Februar in Warschau statt. Ein unübliches Entgegenkommen Merkels.

Weil Polen nach dem Brexit-Votum der Verlust seines wichtigsten Partners in der EU droht, waren zuletzt Entspannungssignale zu vermerken. Kaczyński sprach sich sogar öffentlich für eine Wiederwahl Merkels aus. Dankbar wurde in Polen die Stärkung der Nato-Ostflanke mit Beteiligung der Bundeswehr registriert. Flüchtlingskrise, EU-Reform, der Bau der Northstream-Pipeline und die Justizreform belasten das Verhältnis aber weiter.

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