Bilanz des US-Präsidenten:Warum Obama eine Enttäuschung ist

Der US-Präsident regiert schwach und ideenlos. In den letzten drei Jahren wurde keine seiner großen Reformen umgesetzt, das außenpolitische Engagement der USA dümpelt vor sich hin. Barack Obama handelt nach dem Motto: Mal sehen, was der nächste Tag so bringt. So können ihm selbst die Lachnummern der Republikaner gefährlich werden.

Kurt Kister

Es ist noch gar nicht lange her, als Barack Obama zum Gipfeltreffen von Cannes den Europäern Ratschläge für eine entschlossene Bekämpfung der Euro-Krise gab. Diese Ratschläge kamen im Kreise der Regierungschefs schlecht an - auch weil Obama kein besonders hohes Ansehen mehr genießt. Gewiss, der amerikanische Präsident wird grundsätzlich respektiert, nahezu unabhängig von seiner Person, weil er das noch immer wichtigste Staatsamt der Welt innehat. Jenseits dieser Funktionsbedeutung aber war Obama eine der großen Enttäuschungen in der Politik der letzten Jahre.

US-Präsident Barack Obama
(Foto: dpa)

Man erinnert sich an die Vorschusslorbeeren, mit denen Obama antrat. Seine Sympathiewerte waren enorm, zumal in Deutschland. Dies hing damit zusammen, dass er den nicht nur unglücklichen, sondern weitgehend unfähigen George W. Bush ablöste. Andererseits galt der Großrhetoriker Obama als eine Art Kennedy des 21. Jahrhunderts.

Er erweckte den Eindruck, er verkörpere jene Veränderung, von ihm selbst change genannt, nach der sich die Amerikaner alle vier (und manchmal nur alle acht) Jahre immer wieder aufs Neue so herzhaft sehnen. Speziell Europas Liebesaffäre mit Obama, eine einseitige Projektion großer Hoffnung, war anfänglich so leidenschaftlich, dass ihm sogar der Friedensnobelpreis zugesprochen wurde - ohne dass er dafür mehr geleistet hätte, als gewählt worden zu sein.

Am Ende des dritten Jahrs seiner Präsidentschaft ist Obama bestenfalls einer jener Durchschnittlichen, die immer wieder mal im Weißen Haus regieren. Betrachtet man einzelne wichtige Politikfelder, zählt er sogar zu den Unterdurchschnittlichen, was sich auch in den Umfragewerten spiegelt. Sie sind schlecht, so schlecht, dass er um seine Wiederwahl fürchten muss - selbst angesichts der Tatsache, dass die Republikaner bisher eher Lachnummern als einen veritablen Gegenkandidaten aufbieten können.

Innenpolitisch ist es Obama nicht gelungen, seine großen Reformversprechen umzusetzen. Den Amerikanern geht es heute nicht besser als zu Zeiten Bushs. Fast jeder Präsidentschaftskandidat stilisiert sich im Wahlkampf als der Mann von außen, der mit den üblen Washingtoner Gepflogenheiten aufräumen will. Natürlich wird jeder Präsident dann selbst Teil des gerade noch bekämpften "Washington".

Ist er politisch begabt und ernsthaft, kann er zwischen den Rollen erfolgreich changieren. Zuletzt schaffte dies der Vollblutpolitiker und Filou Bill Clinton, der etliche seiner Projekte gegen eine aggressive, zum Teil feindselige Opposition durchsetzte oder es zumindest verstand, Kompromisse zu organisieren.

Auch Obama steht einer feindseligen Opposition gegenüber, die, heute schlimmer als zu Clintons Zeiten, zum großen Teil aus reaktionären Wutbürgern besteht. (Dies ist der Hauptgrund für den schauerlichen Zustand der fragmentierten Republikaner.) Aber anders als Clinton fehlt Obama die Fähigkeit, mit dem Washingtoner Apparat und dem Kongress angemessen umzugehen.

Der Veto-Hansel von Washington

Zwar ist das Scheitern des sogenannten Superausschusses von Republikanern und Demokraten zum Schuldenabbau ein Armutszeugnis für das Parlament sowie ein Beweis für die vergiftete Atmosphäre im Land. Ein guter Präsident aber hätte fast alles versucht, um ein Ergebnis zu befördern und nicht, wie es sich für Obama abzeichnet, den Part des Veto-Hansels von Washington übernehmen zu müssen.

Außenpolitisch sieht es nicht besser aus. Noch nie in der jüngeren Geschichte haben die USA in und für Europa eine so wenig bedeutende Rolle gespielt wie jetzt. Das liegt auch daran, dass Obama, wie schon etliche Präsidenten vor ihm, die Hinwendung zum pazifischen Raum für eine originelle und grundsätzliche Veränderung der US-Außenpolitik hält.

Ja, das Interesse an Europa - jenseits der ökonomischen Krisenpolitik - ist in den USA geschwunden. Das macht aber nicht so viel aus, denn vice versa ist es genauso. Es ist schön, wenn man sich gut versteht. Aber die auch sicherheitspolitisch bedingte Abhängigkeit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwischen (West-)Europa und den USA ist Vergangenheit. Deutsche Außenpolitik zum Beispiel ist heute in erster Linie Politik in und mit Europa. Wie die Europa-Politik Obamas aussieht, ist schwer zu sagen; eine Deutschland-Politik hat er nicht.

Am deutlichsten sichtbar ist die Verschiebung der Gewichte im Nahen und Mittleren Osten. Obama betreibt zwischen Tripolis und Kabul eine Politik des Disengagements, militärisch, aber leider auch politisch. Aus verständlichen Gründen will er die militärische Verstrickung Amerikas in Afghanistan und Irak verringern. Gleichzeitig aber dümpelt das politische Engagement im Nahost-Konflikt. Der arabische Frühling hat Amerika wenig zu verdanken; die Libyer schwenken die Trikolore, nicht das Sternenbanner.

Es scheint fast, als betreibe der Demokrat Obama eine Form von zurückweichender Außenpolitik, wie man sie sonst bei America-first-Republikanern verortet. Vermutlich ist dies kein Konzept der Regierung Obama, sondern man verfährt nach dem Motto: Mal sehen, was der nächste Tag so bringt. Dieses Motto passt zu einem Präsidenten, der zwar nicht sehr effektiv regiert, aber dabei immerhin locker geblieben ist.

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