Biersommelier:Kreativer Geist aus der Flasche

Biersommelier: Experte des guten Geschmacks: Biersommelier Oliver Klupp.

Experte des guten Geschmacks: Biersommelier Oliver Klupp.

(Foto: Stephan Rumpf)

Oliver Klupp kann Köchen schon mal empfehlen, welches Gericht zu welchem Bier passt. Da hat er dem Weinsommelier was voraus.

Von Franz Kotteder

Verglichen mit den Kollegen aus dem Weinkeller führen die Biersommeliers geradezu ein Dasein im strahlenden Sonnenschein. Denn während die Weinsommeliers - seien wir mal ehrlich - im Grunde nur bessere Dienstleister in den Restaurants gehobener Klasse sind, weil sie zu den Kreationen der Großkünstler aus der Küche halt noch die Weinbegleitung beisteuern dürfen und diese möglichst exakt auf den jeweiligen Gang zuschneiden müssen, haben die Biersommeliers das Heft in der Hand. "Wir wählen nicht das passende Bier zum Essen aus", sagt der ausgebildete Biersommelier Oliver Klupp, 45, im Hauptberuf Wirt des Museumsstüberls im Münchner Bier- und Oktoberfestmuseum, "wir sagen den Köchen meistens, was am besten zu diesem und jenem Bier passt. Und manchmal sagen wir ihnen auch, welche Zutaten sie am besten verwenden. Zum Beispiel passt ein Braten mit Malzkruste natürlich gut zu einem Bier mit hohem Malzgehalt." Das soll einmal ein Weinsommelier versuchen. Er würde wahrscheinlich rückwärts aus der Küche flüchten, falls es ihm gelingt, der großen Pfanne auszuweichen.

Tatsächlich lassen sich die beiden Berufsbilder sowieso nur schwer miteinander vergleichen. Weinsommeliers sehen sich in ihrer Arbeit einer nahezu unendlichen Fülle von Geschmacksnuancen und Kriterien gegenüber, die es zu beachten gilt: Jahrgang, Rebe, Lage - um nur ein paar zu nennen. Wohingegen es dem Biersommelier ziemlich gleichgültig ist, ob der Boden, auf dem Hopfen, Gerste oder Weizen mehr nach Süden oder Westen ausgerichtet gewesen sein mag. Bei den drei Grundzutaten Hopfen, Wasser und Malz, die das Reinheitsgebot erlaubt, ist die Variationsbreite halt eingeschränkt - wenn auch sehr viel größer, als man gemeinhin glauben würde. Denn natürlich gibt es die verschiedensten Hopfensorten, mehr als 200 sind auf dem Markt erhältlich. Ebenso viele verschiedene Hefen dürfen verwendet werden. Das Malz - das ja eigentlich nichts anderes ist als die gekeimte und getrocknete Gerste oder anderes Getreide - gibt dem Bier seinen "Körper", wie das die Brauer anschaulich nennen, und dann hat natürlich auch das Wasser die unterschiedlichste Qualität.

Ihre Lieblingssorte erkennen nur wenige Biertrinker bei einer Blindverkostung

All das macht auch die nach dem Reinheitsgebot gebrauten Biere doch recht unterschiedlich, und man könnte sich vorstellen, dass besonders trainierte Gaumen diese Unterschiede auch herausschmecken? Aber Oliver Klupp lacht da bloß und schüttelt den Kopf. "Normalerweise nicht", sagt er. Im Münchner Bier- und Oktoberfestmuseum, wo man fast bei jeder Führung auch eine Blindverkostung der sechs großen Münchner Biersorten anbietet, traut sich natürlich jeder der Teilnehmer zu, sein Lieblingsbier sofort herauszuschmecken. "Funktioniert so gut wie nie", meint Klupp, eiskalt lächelnd, "der Beste hat mal drei von sechsen richtig erkannt." So schnell kann man also deutsche Bierkenner von ihren Illusionen befreien.

Auch die Ausbildung zum Biersommelier verheißt nicht, man sei danach in der Lage, alle möglichen Biere auseinanderzuhalten. Dafür ist sie ja auch gar nicht gedacht, und dafür ist die Ausbildungszeit ja auch zu knapp - es geht da mehr ums lebenslange Lernen. Tatsächlich dauert ein Lehrgang gerade mal 14 Tage beim Doemens-Institut in Gräfelfing bei München. In der ersten Woche gibt es drei Tage lang eine Einführung ins Brauwesen. "Das ist im Grunde das", sagt Klupp, "was ein Brauer in drei Jahren Lehrzeit lernt." Dann folgen Kurse in Sensorik, man testet, schmeckt, riecht und fühlt das Bier, erhält eine Einführung in die Schanktechnik "und außerdem ist man natürlich dauernd am Verkosten". Der Laie stellt sich da wohl auch wieder vor, dass es nur um das Erkennen unterschiedlicher Biersorten geht.

Geht es auch, aber das ist nicht das Wichtigste. Vielmehr befasst man sich vor allen mit den Fehlerquellen, die das Bier verderben können. Klupp: "Wenn ein Bier riecht wie ein Pumakäfig, dann stimmt natürlich etwas nicht." Oder wenn es einen sogenannten "Lichtkegel" aufweist. Es schmeckt dann leicht nach Eisen, und das kommt bei Flaschenbieren von einer falschen Lagerung, wenn es beispielsweise zu lange großer Helligkeit ausgesetzt war. Ansonsten aber ist Bier viel haltbarer, als man so annimmt. Wenn es bei der jeweils optimalen Temperatur kühl und dunkel gelagert wird, hält es Jahrzehnte. Klupp durfte während seiner Ausbildung 2008 ein Heineken-Bier aus dem Jahr 1978 verkosten: "Das musste man dekantieren, und es ging vom Geschmack her in die Sherry-Richtung."

Geschmack ist auch so eine Sache. Es komme ja auf "die eigenen Rezeptoren auf der Zunge" an, meint Klupp, deshalb könne man bei fehlerfreien Bieren auch keine qualitativen Unterschiede ableiten, was den Geschmack angehe. Ist eben Privatsache. Freilich, die Leute interessierten sich wieder mehr für die Erzeugnisse kleinerer Brauereien. Über Craft-Biere sagt Klupp: "Man kann da sicher tolle Sachen machen. Aber man muss es nicht mögen."

Und die ewigen Debatten um das Reinheitsgebot, die Beschränkung auf drei Grundzutaten, die angeblich die Kreativität behinderten? Da darf man immer noch skeptisch sein, schließlich sind auch die Grundzutaten sehr vielseitig geworden, "es gibt ja heute sogar Hopfen mit Orangengeschmack". Und sage mal einer, zwischen einem Doppelbock, einem Pils, einem Champagnerweizen und einem Münchner Hellen gäbe es keinen großen Unterschied! Jedenfalls sind es genügend, um quer durch alle Jahreszeiten den Köchen Anregungen zu geben für Verkostungsmenüs. Wobei Herbst und Winter für den Sommelier angenehmer sind, weil da kräftigere Gerichte Saison haben und die auch besser zu stärkeren Bieren passen. Da bietet sich dann schon einmal eine Panade aus Malzschrot an, oder man mariniert das Fleisch vor dem Braten in Bierwürze. Ein neuer Trend geht hin zu Cocktails mit Bier. "Im Frühling zum Beispiel Pils mit Aperol", sagt Klupp, "ich war selbst überrascht, dass man das so trinken kann."

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