Psychologie:Ein Prosit der Verlässlichkeit!

Psychologie: Bier und Politik gehören bekanntlich zusammen, das gilt nicht nur für Markus Söder und Bayern.

Bier und Politik gehören bekanntlich zusammen, das gilt nicht nur für Markus Söder und Bayern.

(Foto: Sammy Minkoff/imago images)

Wie die politische Einstellung Konsumverhalten beeinflusst. Und was die bevorzugte Biersorte über Menschen aussagt.

Von Sebastian Herrmann

Eine Gruppe alter Freunde trifft sich in einem Keller, in dem sie Jahrzehnte zuvor schon als verpeilte Teenager gehockt haben. Das Ziel des Abends besteht darin, die alten Zeiten auferstehen zu lassen und dabei ein bisschen zu viel Bier zu trinken. In der Getränkefrage teilt sich die Gruppe in zwei Lager: die Traditionalisten, die seit Jahrzehnten auf die gleiche Biermarke schwören; und die explorativen Trinker, die immer eine neue Auswahl zu den Alte-Zeiten-Abenden mitbringen. Irgendwann steht also einer auf, um sich ein Bier zu holen, und fragt in die Runde, wer ebenfalls Nachschub braucht. Einer meldet sich. "Was für eins willst du denn?", wird er gefragt. "Eins, über das ich nicht reden muss", antwortet er.

Die übergeordnete Botschaft dieses Austausches lautet: Hinter Konsumentscheidungen stehen selten nur Geschmack, Nutzen, Preis oder andere Vernunftkriterien. Stattdessen drückt man mit der Wahl seiner Waren aus, wer man sein will, was einem wichtig ist und woran man glaubt. Das klingt zunächst nach zu schwerer Bedeutungsschwangerschaft für ein Bier. Doch wie viel hinter einer so banalen Entscheidung stecken kann, zeigen Forscher im Journal of the Association of Consumer Research: Sie demonstrieren, wie politische Einstellungen Konsum beeinflussen.

So trinken Progressive im Durchschnitt mehr Sorten Bier als Konservative, gerne auch von Brauereien aus der ganzen Welt statt nur aus der Region. Überhaupt mögen Menschen mit politisch eher linken Einstellungen ein weiter aufgefächertes Spektrum an Produkten und Erfahrungen. Sie pflegen mehr verschiedene Hobbys, haben einen breiteren Musikgeschmack und probieren eher neue Varianten bekannter Produkte aus. Konservative schätzen hingegen Verlässlichkeit: das vertraute Bier, die etablierte Marke.

Treibende Kraft für derlei Konsumvorlieben sind persönliche Charakteristika, die generell in einem Zusammenhang mit politischen Einstellungen stehen. Progressive Menschen zeichnet im Durchschnitt eine Persönlichkeitsdimension aus, die als "Offenheit für neue Erfahrungen" bezeichnet wird. Das Unbekannte übt eine größere Anziehungskraft auf sie aus - in Form frisch entwickelter Produkte oder gesellschaftlicher Veränderungen. Im konservativen Psychogramm findet das Charaktermerkmal "Gewissenhaftigkeit" größeren Raum. Verlässlichkeit und Loyalität stehen hoch im Kurs. Was sich bewährt, wird bewahrt.

Diese Persönlichkeitsmerkmale drücken sich in politischen Einstellungen und eben auch in Kaufentscheidungen aus. So trennt sich laut Studien auch die Kultur- und Konsumwelt zunehmend in zwei Lager. Zumindest gilt dies für die USA, wo das Phänomen untersucht worden ist. "Amerikas Populärkultur fragmentiert entlang ideologischer Bruchlinien", schreibt etwa der Soziologe Nick Rogers. Man schaut unterschiedliche Serien, hört andere Musik, schwört auf verschiedene Marken, und jeder trinkt sein eigenes Bier. Das ist dem Zusammenhalt gewiss nicht förderlich. Aber solange man trotz verschiedener Vorlieben noch zusammen im Keller sitzen kann, ist die Welt zumindest im Kleinen noch ein bisschen in Ordnung.

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