Rede vor UN-Vollversammlung:Biden ruft Ära der Diplomatie aus

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Biden bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung. (Foto: Eduardo Munoz/AP)

Der US-Präsident grenzt sich in seiner ersten Rede vor der UN-Vollversammlung deutlich vor seinem Amtsvorgänger ab. Er ruft zum gemeinsamen Kampf gegen den Klimawandel auf - und macht einen Schritt auf China zu.

Von Christian Zaschke, New York

US-Präsident Joe Biden hat am Dienstag in New York bei der 76. Vollversammlung der Vereinten Nationen (UN) betont, dass die Menschheit vor einem entscheidenden Jahrzehnt stehe. Als größte Bedrohungen machte der Präsident die Pandemie und den Klimawandel aus. Nur gemeinsam seien diese Herausforderungen zu bewältigen.

Es war Biden offensichtlich wichtig zu vermitteln, dass die USA sich wieder vermehrt der Welt zuwenden wollen. "Wir sitzen wieder mit am Tisch", sagte er und wollte das besonders in Bezug auf die UN verstanden wissen. Sein Vorgänger Donald Trump hatte der Organisation vor allem Geringschätzung entgegengebracht. Dieses Gefühl beruhte zum Teil auf Gegenseitigkeit: 2018 war Trump bei seiner Rede vor den versammelten Staats- und Regierungschefs ausgelacht worden.

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Bidens Ansprache war vor allem deshalb mit Spannung erwartet worden, weil es die erste Präsidenten-Rede vor den UN nach Donald Trump war. Die Delegierten hatten sich ein Bekenntnis zur internationalen Zusammenarbeit erhofft, und Biden erfüllte diese Hoffnung. Er verwies darauf, dass die USA sich deutlich stärker im Weltgeschehen einbrächten, und dass sie dieses Engagement ausbauen wollten. "Wir wollen führen bei der Bekämpfung von Covid und Klimawandel", sagte Biden, "aber wir wollen das nicht allein tun. Wir wollen das in Zusammenarbeit mit unseren Verbündeten tun."

Auf das chaotische Ende des Kriegs in Afghanistan ging Biden nur kurz ein. Er sagte, dass die "Zeit der unablässigen Kriege" vorbei sei und stattdessen eine "Zeit der unablässigen Diplomatie" anbreche. Erstmals seit 20 Jahren seien die USA nicht in einen Krieg verwickelt, während der amerikanische Präsident seine Rede vor den Vereinten Nationen halte. Militärische Einsätze dürften künftig nur das letzte Mittel der Wahl sein, und dann auch nur, wenn die jeweilige Mission klar umrissen und machbar sei.

China erwähnte Biden nicht namentlich, er widmete dem Land jedoch eine wichtige Passage seiner Rede. Er sprach davon, dass kein Land sich im Wettstreit der Nationen einen unlauteren Vorteil verschaffen dürfe, zum Beispiel durch Diebstahl geistigen Eigentums. Alle großen Nationen trügen eine große Verantwortung dafür, dass der Wettstreit miteinander nicht in einem Konflikt ende. Diese Passage kulminierte in den Worten: "Wir wollen keinen neuen Kalten Krieg. Wir wollen keine Welt, die in Blöcke aufgeteilt ist."

Damit war unzweifelhaft China gemeint. Dass Biden das Land nicht direkt nannte, war ein weiterer großer Unterschied zum letzten Auftritt seines Vorgängers. Trump hatte seine Rede im vergangenen Jahr genutzt, um eine Tirade gegen China zu halten. Er warf dem Land vor, die Alleinschuld an der Ausbreitung des Coronavirus zu tragen, außerdem vergifte es die Meere mit Quecksilber und Plastik. Im Vergleich ließ sich Bidens Rede in der Tat als Beginn einer neuen, einer womöglich tatsächlich unablässigen Diplomatie lesen.

Biden war bereits an Montagabend nach New York gereist und hatte sich mit UN-Generalsekretär António Guterres getroffen. Es war die erste Zusammenkunft der beiden, und Biden setzte gleich den Ton, indem er sich bei Guterres dafür bedankte, dass dieser sich Zeit für ihn genommen habe. US-Präsidenten bedanken sich gemeinhin nicht dafür, dass sich andere Politiker Zeit für sie nehmen.

Es ging Biden darum zu signalisieren, dass eine neue Zeit in den Beziehungen zwischen den UN und den USA anbreche. Die "starke Partnerschaft" der beiden beruhe auf "gemeinsamen Werten und Prinzipien". Die Freundlichkeit gipfelte darin, dass Biden sagte, er habe sich vor seinem Besuch bei der Vollversammlung sogar Zeit genommen, noch einmal die UN-Charta zu lesen.

Deutlicher konnte der rhetorische Unterschied zu seinem Vorgänger nicht sein, doch inwieweit es Worte sind, denen auch Taten folgen, ist eine Frage, die sich zuletzt viele Beobachter stellten. Dass die USA beim Abzug aus Afghanistan im Wesentlichen allein handelten, haben die Partner in der Nato nicht eben erfreut zur Kenntnis genommen.

In der EU ist man zudem noch immer darüber verwundert, dass die Vereinigten Staaten ohne jede Absprache ein Abkommen mit Australien und dem Vereinigten Königreich über eine Kooperation im Südpazifik schlossen und dabei Frankreich düpierten. Als Reaktion auf die Zurücksetzung Frankreichs hat die EU die Vorbereitung für ein Handels- und Technologiegespräch mit den USA verschoben. Man habe verabredete Diskussionen über das Treffen am 29. September in Pittsburgh zunächst ausgesetzt, hieß es in Brüssel.

Als Zeichen des guten Willens zur künftigen Kooperation kündigte Biden an, dass die USA ihre Klimahilfen für ärmere Länder verdoppeln wollen. Zum Abschluss rief er den Delegierten zu: "Sie und ich, wir haben die Kapazitäten, es besser zu machen. Lasst uns an die Arbeit gehen." Dass er dabei das Gemeinsame betonte, schien gut anzukommen in Saal.

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