US-Wahlkampf:Führende Demokraten rücken von Biden ab

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Er wollte Stärke demonstrieren, doch jetzt muss US-Präsident Joe Biden wegen einer Corona-Erkrankung pausieren. (Foto: Kent Nishimura/AFP)

Der US-Präsident deutet erstmals an, dass er nur vier Jahre im Amt sein wollte, die Diskussion um seinen Rückzug flammt neu auf. Wegen einer Corona-Erkrankung hat er den Wahlkampf nun unterbrochen.

Von Fabian Fellmann, Milwaukee

Es hätte kaum einen ungünstigeren Moment für Joe Biden gegeben, um an Covid zu erkranken. Mit kämpferischen Auftritten in Nevada wollte der 81-Jährige beweisen, dass er keinesfalls zu alt sei für das Amt des US-Präsidenten. Stattdessen muss er sich seit Mittwoch mit Husten und laufender Nase in seinem Strandhaus am Atlantik isolieren.

Dabei würde Biden gerade jetzt all seine Kräfte benötigen, um seine Kandidatur zu verteidigen. Während Donald Trump beim Parteitag der Republikaner vor Selbstvertrauen nur so strotzt, flammt bei den Demokraten soeben die Diskussion neu auf, ob Biden Platz machen sollte. Sie war in den Hintergrund gerückt nach dem Attentat auf Trump, erloschen war sie aber keineswegs, wie sich nun zeigt.

Die beiden ranghöchsten Demokraten im Kongress haben Biden in den vergangenen Tagen ihre Befürchtung mitgeteilt: Er werde nicht nur die Präsidentschaft verlieren, sondern untergrabe auch die Chancen der Partei, in einer der beiden Parlamentskammern eine Mehrheit zu gewinnen. Mit einer doppelten Mehrheit im Kongress könnte Trump durchregieren.

Der Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, besuchte Biden für die schwierige Unterhaltung am Wochenende im Strandhaus in Rehoboth, fast drei Autostunden von der Hauptstadt. Hakeem Jeffries, Minderheitsführer im Abgeordnetenhaus, redete mit dem Präsidenten im Weißen Haus.

Über den Inhalt der Gespräche teilten die beiden nur Floskeln mit, doch sickerten Details an die Medien durch. Biden habe erstmals den Eindruck erweckt, dass er zuhöre, berichtete die New York Times. Er habe sich auch danach erkundigt, wie es um die Wahlchancen von Vizepräsidentin Kamala Harris bestellt sei. Solche Fragen bedeuteten allerdings noch keineswegs, dass er einen Rückzug aus dem Rennen ernsthaft erwäge.

„Ich sagte, ich würde ein Übergangspräsident.“

Langsam scheint Biden seine Position in Interviews jedoch aufzuweichen. Hatte er zunächst verkündet, nur „Gott der Allmächtige“ könne ihn von einer Kandidatur abbringen, sagte er später, er würde sich zurückziehen, falls er nicht gewinnen könnte. Nun sagte er, falls seine Ärzte ein ernsthaftes medizinisches Problem fänden, würde er seine Pläne überdenken. Beim Sender BET News räumte Biden erstmals ein, dass er eigentlich nur eine Amtszeit absolvieren wollte. „Ich sagte, ich würde ein Übergangspräsident“, sagte Biden. „Ich dachte, ich könnte das Amt weitergeben. Aber ich sah nicht voraus, dass die Spaltung so stark würde. Und, ehrlich gesagt, bringt das Alter nur ein bisschen Weisheit.“

Nur teilen nicht alle Demokraten Bidens Ansicht, dass das Alter kaum andere Auswirkungen habe. Hollywood-Größe Jeffrey Katzenberg, der für Biden Dutzende Millionen an Spenden gesammelt hatte, warnte ihn laut der News-Website Semafor, dass die großen Geldgeber die Überweisungen eingestellt hätten.

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Als nunmehr zwanzigstes und bisher gewichtigstes Kongressmitglied forderte der Abgeordnete Adam Schiff den Präsidenten am Mittwoch öffentlich zum Rückzug auf. „Ich mache mir ernsthaft Sorgen, ob der Präsident Donald Trump im November besiegen kann“, schrieb der Kalifornier. Er pflegt enge Kontakte zu Nancy Pelosi, der früheren Sprecherin des Repräsentantenhauses. Die noch immer einflussreiche Demokratin hat Biden verklausuliert, aber unsanft dazu aufgerufen, seine Kandidatur zu überdenken. Inzwischen koordiniert sie laut US-Medien hinter den Kulissen eine Druckkampagne gegen Biden. In den kommenden Tagen dürften also weitere öffentliche Stellungnahmen zu erwarten sein.

Damit spitzt sich der Streit bei den Demokraten zu, zumal an diesem Wochenende eine weitere wichtige Entscheidung über das weitere Vorgehen ansteht. Der Präsident hatte wohl verwirrt und verlangsamt gewirkt bei dem TV-Duell gegen Trump vor drei Wochen. In den Tagen danach zeigte er aber eine bemerkenswerte Fähigkeit, glasklar zu denken und aufs Tempo zu drücken, um seine Kandidatur für eine zweite Präsidentschaft abzusichern.

Sehr gelegen wäre ihm ein Plan gekommen, die formelle Nominierung zum Kandidaten der Partei nicht erst am Parteitag Mitte August abzuhalten, sondern auf ein virtuelles Treffen vorzuverlegen. Solche Szenarien prüft der Parteivorstand derzeit, am Wochenende will er einen Zeitplan beschließen. Je früher er den Termin ansetzt, desto besser für Biden, der den Parteivorstand schon dazu gebracht hatte, den Kalender für die Vorwahlen zu seinen Gunsten umzukrempeln und in South Carolina statt in New Hampshire zu beginnen. Sowohl Schumer als auch Jeffries sollen nun aber interveniert haben, woraufhin die Parteileitung am Mittwoch eilig versicherte, den Nominierungsprozess keineswegs beschleunigen zu wollen. Vor August werde keine Entscheidung fallen – zumindest keine für den Kandidaten Biden.

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