US-Justiz:Bidens Gnadenliste

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Als Kandidaten für Joe Bidens Last-Minute-Begnadigung gelten Liz Cheney, Adam Schiff, Mark Milley und Anthony Fauci. (Foto: Jacquelyn Martin/dpa)

Gerade hat Joe Biden seinen Sohn Hunter begnadigt. Und kurz bevor Donald Trump als Präsident zurückkehrt, der seinen Gegnern Rache geschworen hat, stellt sich die Frage: Wird Biden noch andere vor dem Wahlsieger beschützen?

Von Peter Burghardt, Washington

Seinen Sohn hat Joe Biden schon in Sicherheit gebracht, sonderlich gut kommt das nicht an. Auch viele Demokraten hielten es für unglücklich, dass der US-Präsident sein Recht auf Pardon zuletzt nur einem sehr engen Angehörigen zugutekommen ließ. Hunter Biden geht dank seines Vaters straffrei aus, obwohl er vor Jahren trotz damaliger Drogensucht eine Waffe gekauft und Steuern hinterzogen hatte; das Strafmaß stand aus. Aber nun macht diese Frage die Runde: Wen soll Biden noch vor der Justiz beschützen, genauer gesagt vor Donald Trump?

Der Wahlsieger versichert ja immer wieder, dass er mit seinen Gegnern eine Rechnung offen hat. Mögliche Betroffene haben mehr und mehr Sorge, dass es Trump ernst meint und nach seinem Amtsantritt am 20. Januar 2025 zum großen Rachefeldzug bläst. Seine designierte Justizministerin Pam Bondi und vor allem der künftige FBI-Chef Kash Patel sind ihm treu ergeben. Offenbar befasst sich das Weiße Haus deshalb mit dem Gedanken, denkbare Opfer vorsorglich zu begnadigen, wie zunächst das Magazin Politico berichtete. Es könnte dabei zum Beispiel um Prominente wie Liz Cheney, Adam Schiff, Mark Milley und Anthony Fauci gehen, sie alle waren bei Trump in Ungnade gefallen.

Für den General a.D. Milley empfahl Trump die Todesstrafe

Die Republikanerin Cheney, Tochter des früheren Vizepräsidenten, gehört zu jener Minderheit ihrer Partei, die den früheren und künftigen Boss der Nation scharf kritisiert. Sie war für dessen Amtsenthebung und saß als stellvertretende Vorsitzende in jenem Kongressausschuss, der den Angriff von Trumps Mob am 6. Januar 2021 auf das Kapitol in Washington untersuchte. Im Wahlkampf warb die Trump-Kritikerin für Kamala Harris.

Sie muss seine Rache ebenso fürchten wie der Demokrat Schiff, der das erste Impeachment-Verfahren gegen Trump geleitet hatte. Der ehemalige Armeechef Milley wiederum hatte Chinas Militärführung beruhigt, während der Oberbefehlshaber vor vier Jahren versuchte, den Machtwechsel zu blockieren. Trump nannte er später einen Faschisten. Fauci war der Koordinator im Kampf gegen Covid-19 und als solcher in ständigem Konflikt mit Trump.

Trump erklärte, Cheney solle der Prozess gemacht werden „für ihre Lügen und, ganz offen gesagt, für Verrat“. Er kündigte auch an, die gegenwärtige Vizepräsidentin Kamala Harris anklagen zu lassen, die Wahlverliererin, und „einen echten Sonderstaatsanwalt zu ernennen, der Herrn Biden und seine Familie verfolgt“. Für den General a.D. Milley empfahl Trump die Todesstrafe, die New York Times listete die Fälle auf. Ihnen allen könnte Biden eine präsidentielle Begnadigung zukommen lassen, auch wenn es bisher gar keine Anklage gibt und außer Trumps Maga-Leuten bei ihnen niemand Schuld erkennen kann.

Die Begeisterung für Bidens Einsatz zugunsten des verurteilten Sohnes hält sich in Grenzen

Historische Vorbilder für diese Schutzfunktion gibt es, Gerald Ford zum Beispiel bewahrte seinen Vorgänger Richard Nixon 1974 präventiv für jegliche Verfolgung von Taten aus der Zeit seines Amtsantritts 1969 bis zu seinem Rücktritt gut fünf Jahre danach. Juristisch belangt wurde Nixon nie, dabei lag in dieser Zeit die Watergate-Affäre. Organisiert wird das Manöver diesmal laut Insidern von Bidens Berater Ed Siskel und anderen Vertrauten wie Stabschef Jeff Zients, es ist auch der Versuch, Bidens Ruf wenigstens innerhalb seiner Anhängerschaft zu retten.

Die Begeisterung für seinen Einsatz zugunsten des verurteilten Hunter Biden hält sich in Grenzen. Auch werfen ihm viele Demokraten vor, zur Wahlniederlage beigetragen zu haben, weil er seine zweite Präsidentschaftskandidatur trotz seines hohen Alters erst im Sommer aufgegeben hatte. Allerdings scheint nicht jeder der möglichen Begünstigten eine vorauseilende Amnestie zu begrüßen. „Ich habe mehr Vertrauen in unser System, das in der Lage ist, einem möglichen Machtmissbrauch durch den Präsidenten standzuhalten“, sagte der Abgeordnete Schiff im November dem Radiosender NPR. „Und ich glaube nicht, dass eine präventive Begnadigung Sinn ergibt.“

Andere sind ganz im Gegenteil der Meinung, dass eine solche Aktion sogar dringend notwendig ist. Der demokratische Abgeordnete James Clyburn empfiehlt, unter anderem Liz Cheney und den Sonderermittler Jack Smith vor Trumps Revanche zu bewahren. „Ich denke, dass sie alle präventiv begnadigt werden sollten“, sagte Clyburn bei CNN, „weil ich denke, dass es Leute gibt, die Trump in diese Regierung bringen könnte, die gegen diese Leute ernsthaft vorgehen werden, und es gibt keinen Grund, sie dem zu unterwerfen.“

Die Kapitol-Stürmer vom 6. Januar 2021 will Trump begnadigen

Der Kollege Brendan Boyle erinnert in einem Statement vom Mittwoch an Patels „Feindesliste“ in einem Buch („Government Gangsters“), Trump hatte von „Feinden aus dem Inneren“ gesprochen. „Zu den Menschen, die sie ins Visier nehmen, gehören Strafverfolgungsbeamte, Militärangehörige und andere, die ihr Leben damit verbracht haben, dieses Land zu schützen“, schrieb Boyle. „Diese Patrioten sollten nicht in Angst vor politischer Vergeltung leben müssen, weil sie das Richtige tun. Deshalb fordere ich Präsident Biden auf, alle Personen zu begnadigen, die zu Unrecht von diesem rachsüchtigen Plan betroffen sind.“

Auch die Staatsanwältin Letitia James aus Georgia, den Richter Arthur F. Engoron aus New York und Facebook-Eigner Mark Zuckerberg überzog Trump mit Drohungen. Er will auch jeden belangen, der dazu beigetragen habe, ihm seiner Ansicht nach 2020 den Wahlsieg zu stehlen, dabei hatte er damals eindeutig gegen Biden verloren.

„Wenn ich gewinne, werden die Leute, die betrogen haben, mit der vollen Härte des Gesetzes verfolgt werden, was lange Gefängnisstrafen einschließen wird, damit diese Verderbtheit der Justiz nicht wieder passiert“, verkündete Trump im September in seinem Netzwerk Truth Social. „Diejenigen, die in skrupelloses Verhalten verwickelt sind, werden aufgespürt, gefasst und strafrechtlich verfolgt werden, und zwar in einem Ausmaß, das es in unserem Land leider noch nie gegeben hat.“ Die Kapitol-Stürmer dagegen will er begnadigen, trotz der Toten und Verletzten seinerzeit.

Kürzlich bekam Olivia Troye, einst Beraterin von Trumps Vizepräsident Mike Pence, einen Brief von einem Anwalt des künftigen FBI-Chefs Patel. In dem Schreiben gab er bekannt, ein Verfahren gegen sie einzuleiten, falls sie die Kritik an Patel nicht zurückziehe.  Alles, was sie getan habe, „war, die Wahrheit zu sagen“, zitiert sie nun die New York Times. „Ich habe nichts Falsches getan und keine Straftaten begangen, und das ist der Punkt, an dem es kompliziert wird. Dies sind beispiellose Zeiten.“

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