Sicherheit:USA wappnen sich gegen China als stärksten Rivalen

Sicherheit: Für die Staaten im Pazifik interessiert sich nun auch verstärkt Peking, wie zum Beispiel für die Salomonen, wo dieser Junge lebt.

Für die Staaten im Pazifik interessiert sich nun auch verstärkt Peking, wie zum Beispiel für die Salomonen, wo dieser Junge lebt.

(Foto: Zhu Hongye via www.imago-images.de/imago images/Xinhua)

US-Präsident Joe Biden hat eine neue Sicherheitsstrategie vorgestellt. Trotz der Gefahr eines Atomkriegs mit Russland sieht er China als gefährlichsten Widersacher.

Von Fabian Fellmann, Washington

Die Bedrohung durch russische Nuklearwaffen beschäftigt den US-Präsidenten gerade am stärksten. Joe Biden sieht die Welt derzeit so nah am Armageddon, dem Untergang, wie seit der Kubakrise nicht mehr, sagte er jüngst. Doch trotz dieser historischen Dimension des Kriegs in der Ukraine gewichtet Biden die Herausforderung durch China langfristig als eindeutig größer. Das geht aus der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie hervor, die das Weiße Haus am Mittwoch nach mehrmonatiger Verzögerung vorgestellt hat.

Der Präsident hätte damit schon im Frühjahr darüber Auskunft geben sollen, welche Herausforderungen er auf sein Land zukommen sieht und wie er darauf reagieren würde. Doch der Angriff Russlands auf die Ukraine führte zu Verzögerungen - und wichtigen Erkenntnissen.

Wohl stellt Russland eine unmittelbare Gefahr für die Weltgemeinschaft dar, heißt es im Weißen Haus. Aber: "Die Volksrepublik China ist im Kontrast dazu der einzige Mitbewerber, der sowohl die Absicht hat, die internationale Ordnung umzugestalten, als auch zunehmend über die wirtschaftliche, diplomatische, militärische und technologische Macht verfügt, um dieses Ziel voranzutreiben."

Das sei keine völlig neue Erkenntnis, sagte Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan am Mittwoch bei einem Mediengespräch. Doch der Verlauf des Kriegs in der Ukraine hat die Grenzen der überschätzten russischen Streitkräfte deutlich aufgezeigt - und für das Weiße Haus umso klarer gemacht, dass es sein Hauptaugenmerk China schenken kann und soll.

"Entscheidendes Jahrzehnt"

Als alter Transatlantiker bekennt sich Biden in seiner neuen Sicherheitsstrategie zur engen Zusammenarbeit mit Europa und ausdrücklich mit der Nato. Auffallend stark betont das Weiße Haus dabei die Rolle der Europäischen Union. Washington fordert Großbritannien ausdrücklich dazu auf, eng mit der EU zusammenzuarbeiten, eine klar andere Linie als unter Donald Trump, der sich unverhohlen über den Brexit gefreut hatte.

Bidens Sicherheitsberater sagte, die Welt habe ein "entscheidendes Jahrzehnt" begonnen, und zwar in zweierlei Hinsicht: erstens mit dem Wettstreit zwischen den Großmächten und der Frage, wer die Zukunft der internationalen Ordnung bestimmen darf; zweitens ginge es trotz dieses Wettstreits darum, in weltweiter Zusammenarbeit Hunger, Krankheitserreger, Terrorismus und den Klimawandel zu bekämpfen.

Sehr deutlich drückt Biden in der neuen Strategie aus, dass dieses entscheidende Jahrzehnt von Handelskriegen begleitet sein dürfte. Er hält fest, die USA wollten jene Macht sein, die Standards für die Weltwirtschaft setzt. Investitionen und Handel würden darauf ausgerichtet, dass die internationale Ordnung den Werten und Interessen der USA entspricht. Die Vereinigten Staaten würden ein Netz von Verbündeten pflegen, mit denen sie die Zusammenarbeit verstärken wollten.

Desinteresse am Nahen Osten

Bei anderen Maßnahmen bleibt die Sicherheitsstrategie schwammig. Die Vereinigten Staaten müssten in die Quellen amerikanischer Macht investieren, heißt es etwa in einem Fact Sheet des Weißen Hauses. Offensichtlich ist, dass die USA die Zuverlässigkeit der Lieferketten verbessern müssen, zum Beispiel mit Anreizen für den Bau von Chip-Fabriken. Darüber hinaus zählt das Papier vor allem Bidens politisches Programm auf, die Wirtschaft "von unten und aus der Mitte" wachsen zu lassen. Das Weiße Haus verwies etwa auf das Gesetz zur Inflationsbekämpfung.

Neu und ganz anders als Donald Trump deklariert Joe Biden ein schon fast demonstratives Desinteresse am Nahen Osten. "In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich die US-Außenpolitik vor allem auf Bedrohungen aus dem Nahen Osten und Afrika fokussiert", heißt es in der neuen Sicherheitsstrategie. Grandiose Pläne seien nun über Bord zu werfen zugunsten von "pragmatischeren Schritten, die die amerikanischen Interessen voranbringen". Die Rede in dem Abschnitt ist von "Stabilität, Wohlstand und Chancen für die Menschen" - nicht aber von Demokratie und Menschenrechten.

Die USA würden das Militär nicht mehr für Regimewechsel und den Wiederaufbau von Gesellschaften einsetzen, hält das Papier ausdrücklich fest. Es ist das definitive Ende des so genannten Nation Building der Amerikaner nach ihren Kriegen im Irak und Afghanistan.

Die arabischen Staaten und Israel sollten ihre gegenseitigen Annäherungen nun selbstständig fortsetzen, die Amerikaner wollen möglichst in Ruhe gelassen werden. Biden definiert dafür zwei rote Linien: Die USA tolerierten erstens keine Bedrohungen für den Schiffsverkehr in der Straße von Hormus und Bab al-Mandab am Roten Meer, und zweitens keine Versuche von Ländern in der Region, andere durch Aufrüstung, Angriffe oder Drohungen zu dominieren.

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