Süddeutsche Zeitung

Genf:Ein Gipfel - viele Streitfragen

Die Präsidenten Russlands und der USA sind zu einem Gespräch in Genf zusammengekommen. Strittige Themen gibt es dabei jede Menge, gemeinsame Interessen eher wenige.

Von Paul-Anton Krüger, Genf

US-Präsident Joe Biden und Russlands Staatschef Wladimir Putin sind am Mittwoch in Genf zu ihrem ersten mit Spannung erwarteten Gipfeltreffen zusammengekommen. Beide stimmen darin überein, dass die Beziehungen zwischen ihren Ländern sich auf dem tiefsten Punkt seit Ende des Kalten Krieges befinden.

Es hätten sich "eine Menge Fragen angestaut", sagte Putin kurz vor Beginn der Gespräche in der Villa La Grange in einem Park über dem Genfersee. Er dankte Biden für dessen Initiative für das Treffen. Der US-Präsident erwiderte, es sei immer besser "von Angesicht zu Angesicht" zu sprechen. Er wolle gemeinsame Interessen ausloten und Möglichkeiten zur Kooperation, um das Verhältnis der "zwei Großmächte" in vorhersehbare und rationale Bahnen zu lenken.

Die Staatschefs zogen sich zu einem ersten Gespräch zurück, an dem außer ihnen nur die beiden Außenminister Tony Blinken und Sergej Lawrow teilnahmen. Am späteren Nachmittag wurde der Kreis der Teilnehmer dann erweitert. Zur Sprache kommen sollten eine Reihe strittiger Themen wie Attacken russischer Hacker auf US-Regierungsinstitutionen, der Versuch, die Präsidentenwahl im Jahr 2020 zu beeinflussen oder die Achtung der Menschenrechte. Der Kreml wollte etwa die US-Sanktionen gegen Russland thematisieren. Auch die Lage in der Ukraine stand auf der Tagesordnung.

Zusammenarbeit suchen die beiden mit Abstand größten Atommächte in der Rüstungskontrolle. Die Präsidenten hatten nur wenige Tage nach Bidens Amtsantritt den New-Start-Vertrag bis 2026 verlängert, der Limits für strategische Atomwaffen und deren Trägersysteme festschreibt. Nun wollen sie auf eine Folgevereinbarung hinarbeiten, die auch China einbeziehen könnte.

Sowohl der Kreml als auch das Weiße Haus hatten die Erwartungen gedämpft

Die Ergebnisse des Gipfeltreffens wollten die Präsidenten am Abend in getrennten Pressekonferenzen mitteilen, zunächst Putin, dann Biden. Über den Verlauf der Gespräche wurde bis zum frühen Abend nichts bekannt. Sowohl der Kreml als auch das Weiße Haus hatten allerdings die Erwartungen gedämpft. Es galt als denkbar, dass beide Seiten wieder Botschafter entsenden und Arbeitsaufträge der Präsidenten an Minister ergehen. Biden hatte aber auch als ein Ziel des Treffens genannt, Russland rote Linien klarzumachen, bei deren Überschreiten die USA reagieren werden, etwa mit Sanktionen.

Die EU stellt sich indes darauf ein, dass ihre Beziehungen zu Moskau sich noch weiter verschlechtern könnten. Ein weiterer Abwärtstrend sei derzeit das wahrscheinlichste Szenario, sagte der Außenbeauftragte Josep Borrell bei der Vorstellung eines Berichts, der als Grundlage für Beratungen der Staats- und Regierungschefs der EU kommende Woche dienen soll. Die politischen Entscheidungen der russischen Regierung in den vergangenen Jahren seien Grund für die negative Entwicklung. Borrell schlug vor, die EU solle sich gegen Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen internationales Recht stellen. Die EU müsse sich zudem besser gegen Cyberangriffe und Desinformation wappnen, zugleich aber Russland etwa im Kampf gegen den Klimawandel oder den internationalen Terrorismus zur Zusammenarbeit bewegen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5324369
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.