Atomstreit mit Iran:Keine Entspannung in Sicht

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Das erste Interview des neuen US-Präsidenten wird traditionell in den Pausen der Super-Bowl-Übertragung gesendet. Joe Biden äußerte sich dabei auch zu Iran. (Foto: CBS News via imago/imago images/ZUMA Wire)

Erst wenn Teheran wieder strikt all jene Beschränkungen einhält, die 2015 die Regierung von Barack Obama ausgehandelt hatte, kann es eine Rückkehr zum Atomabkommen geben. Das haben die USA klargestellt. Eine neue Eskalation ist jetzt wahrscheinlich.

Von Daniel Brössler und Paul-Anton Krüger, München

Joe Biden braucht nur ein Wort und ein kurzes Kopfnicken, dann ist klar: Eine schnelle Einigung mit Iran über eine Rückkehr zum Atomabkommen wird es nicht geben. Und damit auch keine Entspannung in der Golf-Region. "Werden die USA als Erstes die Sanktionen aufheben, um Iran zurück an den Verhandlungstisch zu holen?", fragte die CBS-Journalistin Norah O'Donnell den neuen Präsidenten in seinem ersten Fernsehinterview seit Amtsantritt, das am Freitag geführt und Sonntag ausgestrahlt wurde.

"Nein", antwortet der Mann, der im Wahlkampf angekündigt hat, die USA zurück in das Abkommen zu führen. "Muss Iran zunächst seine Urananreicherung einstellen?", hakt die Fragestellerin nach, und Biden senkt zustimmend sein Haupt. Das Weiße Haus präzisierte später, Biden habe gemeint, Teheran müsse wieder strikt all jene Beschränkungen einhalten, die 2015 die Regierung von Barack Obama ausgehandelt hatte; Biden war damals Vizepräsident.

Diese Position hatten zuvor schon Außenminister Tony Blinken und Sicherheitsberater Jake Sullivan vertreten. Bidens Interview aber fiel zusammen mit einer Rede des Obersten Führers in Iran, Ayatollah Ali Chamenei. Und die Äußerungen der beiden wichtigsten Entscheidungsträger deuten auf eine Eskalation in den kommenden Wochen hin.

Chamenei sagte, die Islamische Republik werde ihre Verpflichtungen erst wieder einhalten, wenn die USA "tatsächlich und nachprüfbar" alle Sanktionen aufgehoben haben, und "nicht nur in Worten oder auf Papier". Diese Entscheidung sei "final und unwiderruflich", das sei auch "Konsens unter allen Regierungsangehörigen".

Nutzte eine Rede vor Offizieren der Luftwaffe, um ein Machtwort zur Atompolitik zu sprechen: Irans Oberster Führer Ali Chamenei am Sonntag in Teheran. (Foto: KHAMENEI.IR /AFP)

Er sprach damit öffentlich ein Machtwort und kassierte wohl auch den Kompromissvorschlag von Außenminister Mohammed Dschawad Sarif. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell möge eine gleichzeitige Rückkehr Irans und der USA zu der Vereinbarung choreographieren, forderte jüngst der Diplomat, Architekt des Abkommens auf iranischer Seite. Er warnte am Samstag:. "Je mehr Amerika zögert, desto mehr wird es verlieren."

Er spielte an auf ein Gesetz des von den Ultrakonservativen dominierten Parlaments. Demnach muss Iran schon in zwei Wochen die Kontrollen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) stark einschränken. Das dürfte umso mehr Ärger verursachen, als die Inspektoren laut dem Wall Street Journal radioaktive Substanzen an zwei Orten entdeckt haben, wo keine sein dürften - und nun Aufklärung von Teheran darüber verlangen.

Zugleich verwies Sarif damit auf die Präsidentenwahl in Iran Mitte Juni. Hassan Rohani, der Amtsinhaber, darf nicht wieder antreten. Bislang erscheint ein Sieg der Ultrakonservativen fast unausweichlich. Damit aber wären weitere Verhandlungen etwa über das Raketenprogramm oder Irans Rolle in der Region noch weniger vorstellbar, die sowohl die USA als auch die Europäer fordern. Ein schneller Durchbruch dagegen könnte die Chancen von Rohanis moderat konservativem Lager in letzter Minute bessern. Die Europäer wollen dieses Zeitfenster möglichst nutzen. In den USA dagegen gibt es Stimmen, die umfassende und ernsthafte Verhandlungen erst mit einer neuen Regierung für möglich halten.

In Israel kam Trumps Politik gut an

Besonders aufmerksam verfolgt wird das alles in Israel. Kaum irgendwo war Donald Trumps Politik des "maximalen Drucks" gegenüber Teheran so vorbehaltlos unterstützt worden wie in Jerusalem. Israel lehnt den Deal als nicht ausreichend ab, weil er die nukleare Bewaffnung Irans nicht wirklich verhindere - vor allem aber auch, weil er weder die Bedrohung durch iranische Raketen adressiert noch die Rolle Irans in der Region.

Nun richtet man sich in Israel darauf ein, dass die USA tatsächlich in den Deal zurückkehren könnten. Befürchtet wird, dass sie und die Europäer Iran dabei zu schnell und zu weit durch die Lockerung von Sanktionen entgegenkommen könnten. Das machte am Montag auch ein Besucher im Auswärtigen Amt deutlich. Obwohl in der Corona-Krise nur in dringenden Fällen gereist wird, kam der politische Direktor des israelischen Außenministeriums, Alon Bar, nach Berlin - um vor allem über Iran zu sprechen.

Doch Chamenei hat in seiner Rede vor Offizieren der Luftwaffe de facto neue Bedingungen aufgestellt. Er betonte den tatsächlichen Effekt, den eine Sanktionsaufhebung haben müsse. Iran hatte sich schon unter Obama beschwert, dass die Strafmaßnahmen zwar ausgesetzt worden seien, Banken sich aber weiter weigerten, Transaktionen mit Iran abzuwickeln. Erhoffte Investitionen blieben aus.

Das lag teils an der Angst vor Strafen in den USA, teils aber auch daran, dass iranische Banken internationale Regeln gegen Geldwäsche und Terror-Finanzierung nicht anwenden und Korruption ebenso wie Bürokratie ausländische Unternehmen abschrecken. In Iran aber wuchs das Misstrauen. Chamenei redete unter einem Banner mit einem religiösen Zitat: Sinngemäß warnte es davor, sich nicht von freundlichen Avancen des Feindes übertölpeln zu lassen.

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