US-Wahl:Joe Biden - ein Mann der Mitte

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Abgeklärt, ruhig, nicht allzu aufregend: Mit diesen Eigenschaften will der 76-jährige Joe Biden jene Wähler überzeugen, die genug von Trumps Hetze und Chaos haben. (Foto: AP)
  • Für die Präsidentschaftskandidatur 2020 hat der Demokrat und frühere Vizepräsident Joe Biden eine Reihe an Mitbewerbern.
  • Bidens Ziel ist offenbar, die abgewanderten Wähler aus dem Rust Belt für sich und später in der Hauptwahl für die Demokraten zurückzugewinnen.
  • Bidens Pragmatismus könnte ihm in den Vorwahlen schaden. Diese werden eher von den jungen, wilden, linken Aktivisten dominiert.

Von Hubert Wetzel, Washington

Joe Biden hat seinen Wahlkampf am Donnerstag ganz im Stil der modernen Zeit begonnen: mit einem Tweet, einem Post bei Facebook und einem gut dreiminütigen Youtube-Video, in dem er bekannt gab, dass er Präsident der Vereinigten Staaten werden wolle. Es gehe bei der Wahl 2020 um die "Seele Amerikas", so Biden, um alles, was Amerika sei und wofür es in der Welt stehe.

Weitermachen wird Biden allerdings deutlich traditioneller. Sein erster größerer Auftritt ist für Montag geplant, in einem Lokal der Transportgewerkschaft Teamsters in Pittsburg, Pennsylvania, tief im amerikanischen Rostgürtel. Es wird eine kernige Veranstaltung werden, voller Leute, die Helme und schwere Arbeitsklamotten tragen. Die Metallgewerkschaft United Steelworkers wird Mitglieder schicken, ebenso die politisch einflussreiche Feuerwehrgewerkschaft International Association of Fire Fighters.

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Per Videobotschaft steigt der ehemalige US-Vizepräsident ins Rennen um die nächste Präsidentschaft ein. Um Kandidat zu werden, muss sich der frühere Stellvertreter Obamas gegen 19 weitere Bewerber durchsetzen.

Und im Grunde wird der Erfolg von Bidens Kandidatur davon abhängen, ob er diesen Spagat zwischen Donnerstag und Montag schafft - zwischen dem neuen, modernen, hippen Amerika, das im Internet unterwegs ist, und dem älteren, vielleicht etwas altmodischen und biederen Amerika, das noch jeden Tag zur Schicht geht.

Biden zielt auf weiße, männliche Arbeiter aus der unteren Mittelschicht

Es ist ja nicht so, als hätte Joe Biden keine Konkurrenz, auch wenn er derzeit in den meisten Umfragen vorne liegt. Zwanzig Bewerberinnen und Bewerber rangeln inzwischen um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten. Davon sind etwa die Hälfte ernsthafte Kandidaten. Bevor also irgendein Demokrat darüber nachdenken kann, im November 2020 gegen den republikanischen Amtsinhaber Donald Trump anzutreten, muss er zunächst in den Vorwahlen die parteiinternen Rivalen schlagen. Und um das zu schaffen, muss ein Kandidat eine Koalition von Wählergruppen für sich begeistern. In einem breiten Bewerberfeld mit vielen Alternativen ist das schwieriger als in einem engen.

Biden zielt ganz offensichtlich auf eine Wählergruppe, die einmal zum Stammklientel der Demokraten gehört hat: weiße, männliche Arbeiter aus der unteren Mittelschicht. Deswegen der Auftritt vor Gewerkschaftern in Pennsylvania. 2016 hat Donald Trump den wichtigen Bundesstaat knapp gewonnen, weil viele Wähler aus dieser einst demokratischen Gruppe zu ihm übergelaufen sind. In anderen Bundesstaaten des Rust Belt, jener alten, zum Teil sehr heruntergekommenen Region, in der früher die Schwerindustrie der USA heimisch war, gab es eine ähnliche Wählerflucht hin zu Trump. Bidens Ziel ist offenbar, diese abgewanderten Wähler zunächst in der Vorwahl für sich und später in der Hauptwahl für die Demokraten zurückzugewinnen. Die Unterstützung durch Gewerkschaften ist dafür eine wichtige Voraussetzung.

Allerdings gibt es andere demokratische Bewerber, die Biden dieses Milieu streitig machen. Bernie Sanders etwa, der Senator aus Vermont, ist im Rostgürtel recht beliebt. Er ist, was seine wirtschafts- und sozialpolitischen Ideen angeht, ein traditioneller, gewerkschaftsnaher Sozialdemokrat und passt kulturell gut zu den Wählern im Rust Belt. Ähnliches gilt für die Senatorin Amy Klobuchar aus Minnesota. Sie wirbt für sich mit dem Argument, sie sei eine vernünftige, geerdete Vertreterin des amerikanischen Herzlandes.

Bei anderen wichtigen demokratischen Wählergruppen hat Joe Biden noch härtere Konkurrenz. Beispiel Frauen: Die Stimmen von gut ausgebildeten, weißen Frauen aus den Vorstädten waren 2018 für die Demokraten der Schlüssel zum Sieg in der Kongresswahl. Ob diese Wählerinnen sich nun ausgerechnet für einen 76 Jahre alten Herrn begeistern werden, dessen Umgang mit Frauen in der Vergangenheit zuweilen fragwürdig war, ist offen. Neben Biden sind immerhin gleich vier ernst zu nehmende Senatorinnen im Rennen: Amy Klobuchar sowie deren Kolleginnen Elizabeth Warren, Kamala Harris und Kirsten Gillibrand. Sie dürften von der weit verbreiteten Ansicht bei den Demokraten profitieren, dass es höchste Zeit für eine Präsidentin der Vereinigten Staaten ist.

Beispiel junge, urbane Wähler: Für die Demokraten ist das eine wichtige Klientel. Biden, der bereits fast vier Jahrzehnte lang Senator und acht Jahre lang Vizepräsident war, der in seinem Ankündigungsvideo patriotische Szenen von der Landung der US-Truppen in der Normandie und auf Iwo Jima zeigte, könnte für diese Wähler etwas zu konservativ, zu altväterlich und zu patriarchalisch sein. Jüngere Kandidaten wie der 46-jährige, betont lässige Texaner Beto O'Rourke, der einen Gutteil seines Wahlkampfs via Facebook macht, oder der erst 37 Jahre alte schwule Afghanistanveteran und Bürgermeister Pete Buttigieg kommen in diesen Kreisen wohl besser an.

Beispiel Minderheiten: Biden hat, wie das inzwischen Usus ist, den Tweet mit der Ankündigung seiner Kandidatur auch auf Spanisch verschickt. Amerikaner mit lateinamerikanischen Wurzeln sind für die Demokraten ein enorm wichtiges Wählerreservoir. Es ist zum Beispiel kein Zufall, dass O'Rourke, der als kleines Kind auf die ganz und gar irischen Vornamen Robert Francis getauft wurde, seinen spanischen Spitznamen Beto zu seinem Markenzeichen gemacht hat.

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Von Hubert Wetzel

Biden hat ein gutes Verhältnis zur schwarzen Gemeinde in den USA

Eine noch bedeutendere Wählergruppe sind für die Demokraten die Schwarzen. Ohne ihre Unterstützung kann kein demokratischer Bewerber die Kandidatur erringen - und ebenso wenig die Präsidentschaft. Biden hat ein gutes Verhältnis zur schwarzen Gemeinde in den USA. Und er hat wohl sehr bewusst die rassistischen und antisemitischen Aufmärsche in Charlottesville im August 2017 sowie Trumps fragwürdige Reaktion darauf in den Mittelpunkt seines Bewerbungsvideos gestellt. Dennoch hat er bei afroamerikanischen Wählern scharfe Konkurrenz durch die schwarze Senatorin Kamala Harris sowie den schwarzen Senator Cory Booker.

Überlagert werden diese Wählerkategorien allerdings von einer ideologischen Spaltung der Demokratischen Partei, die ebenfalls große Folgen für den parteiinternen Wahlkampf haben wird. Während Trump die Republikaner brachial nach rechts gedrückt hat, ringen die Demokraten noch um den grundsätzlichen Kurs ihrer Partei. Vor allem an der Parteibasis gibt es viele Anhänger und Aktivisten, die sich einen klaren, kämpferischen Linkskurs wünschen: höhere Steuern für Reiche, eine staatlich finanzierte, allgemeine Krankenversicherung, freie Universitätsbildung, mehr Klimaschutz. Für diese Ausrichtung stehen in erster Linie Kandidaten wie Warren oder Sanders - altgediente und kampferprobte Linksliberale.

Biden gehört hingegen ins Lager der gemäßigten Mitte-Politiker. Als linker Dogmatiker hat er sich nie hervorgetan. Das könnte ihm in einem späteren Wahlkampf gegen Donald Trump durchaus helfen. Solche Mitte-Demokraten haben bei der Kongresswahl im November 2018 reihenweise Republikaner besiegt. Biden rechnet damit, dass eine Mehrheit der Wähler genug hat von Trumps Hetze und Chaos und dem ewigen, lähmenden Parteienstreit und einen abgeklärten, ruhigen, nicht allzu aufregenden Präsidenten vorzieht.

Aber sein Pragmatismus könnte Biden in den Vorwahlen schaden. Diese werden eher von den jungen, wilden, linken Aktivisten dominiert - und die sehnen sich nach einem Kampf gegen Trump und nach klarer linker Kante. Einige demokratische Bewerber haben diesem Druck von unten bereits nachgegeben und sind weiter nach links gerückt, als sie es vielleicht ursprünglich vorhatten. Wie der selbstbewusste Biden, der Widerspruch nicht gewohnt ist, mit einer ähnlich selbstbewussten Parteibasis, die ihm Widerworte gibt, zurechtkommen wird, ist noch offen.

© SZ vom 26.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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