Beziehungen zwischen USA und Iran:Brief an den Ayatollah

File photo of Iran's Supreme Leader Khamenei gesturing in Tehran

Briefe über den großen Teich: US-Präsident Obama soll an Ayatollah Chamenei geschrieben haben. Er versichert ihm, dass man mit den Militäraktionen gegen den IS Irans Position in der Region nicht schwächen wolle.

(Foto: REUTERS)

US-Präsident Barack Obama hat einen persönlichen Brief an Irans obersten religiösen Führer geschrieben. Es soll bereits der vierte sein. Der Kampf gegen die Terrormiliz IS führt die USA und Iran zusammen. Doch die Annäherung könnte verhindert werden - durch Obamas eigene Landsleute.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Es ist der vierte Brief von US-Präsident Barack Obama an Irans Obersten Führer Ayatollah Ali Chamenei, wenn das Wall Street Journal richtig liegt, und einiges spricht dafür, dass sich Obama erneut mit einer Offerte an Teheran gewandt hat. Das Weiße Haus teilte lediglich mit, man nehme keine Stellung "zur privaten Korrespondenz zwischen den Präsidenten" - ein Dementi ist das nicht. Es naht die Frist für eine Einigung im Atomstreit; das Timing wäre plausibel, ebenso der Inhalt.

Obama hat in dem Schreiben von Mitte Oktober demnach dem mächtigsten Mann der Islamischen Republik versichert, dass sich die US-Luftangriffe in Syrien und im Irak allein gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) richten, die auch Iran derzeit als gefährlichsten Feind betrachtet. Zugleich soll er versichert haben, die Militärschläge zielten weder darauf ab, Irans Stellung in der Region zu schwächen, noch solle Teherans Verbündeter Baschar al-Assad getroffen werden.

Bisher hatten es die USA abgelehnt, sich im Kampf gegen die sunnitischen Steinzeit-Islamisten mit dem schiitischen Regime in Iran abzustimmen, auch wenn dessen Revolutionsgardisten gegen dieselben Dschihadisten zu Felde ziehen. Nun stellt Obama eine solche Kooperation in Aussicht - jedoch nur, wenn es ein Abkommen über das iranische Nuklearprogramm gibt. Das dürfte ein taktischer Schachzug sein, um den Druck zu erhöhen. Zugleich signalisiert der US-Präsident aber, das ein anderes Verhältnis der beiden seit 35 Jahren verfeindeten Staaten zumindest denkbar ist. Und damit auch eine veränderte Architektur des gesamten Nahen Ostens.

Von einem gemeinsamen Gegner herausgefordert

Die Rahmenbedingungen, unter denen die Atom-Verhandlungen der fünf UN-Veto-Mächten und Deutschlands mit Iran stattfinden, haben sich gewaltig verschoben, seit sich Regierungsvertreter aus Washington und Teheran im März 2012 erstmals zu diskreten Sondierungen in Oman trafen. Trennte die beiden damals ihre Unterstützung für unterschiedliche Parteien im syrischen Bürgerkrieg, sehen sie sich nun durch einen gemeinsamen Gegner herausgefordert. Für Iran steht durch das Vorrücken des IS sein Einfluss im Irak auf dem Spiel, zudem bedrohen die Islamisten schiitische Heiligtümer. Die USA haben ebenfalls ein großes Interesse daran, den Irak zu stabilisieren - während in Syrien der Sturz Assads keinen Vorrang mehr hat. In Afghanistan wollen Teheran und Washington gleichermaßen verhindern, dass die Taliban wieder erstarken.

Manche Diplomaten träumen angesichts der neuen Gemeinsamkeiten schon von einer Normalisierung der Beziehungen, die seit dem Botschaftssturm durch iranische Revolutionäre im Jahr 1979 unterbrochen sind. Ob es soweit kommt, ist fraglich - zumindest wollen sie eine weitere Krise in der Region vermeiden. Im Atomstreit ist die Gelegenheit für eine Einigung günstig - doch die Chancen dürften sich rapide verschlechtern, wenn die Gespräche am Wochenende in Oman und später in Wien nicht zu einem Abkommen führen.

Beziehungen zwischen USA und Iran: Seit 1979 verfeindet: Pistolen-Graffiti in US-Farben auf der ehemaligen amerikanischen Botschaft in Teheran.

Seit 1979 verfeindet: Pistolen-Graffiti in US-Farben auf der ehemaligen amerikanischen Botschaft in Teheran.

(Foto: Atta Kenare/AFP)

In den USA sieht sich die Regierung damit konfrontiert, dass die Republikaner nun auch den Senat kontrollieren. Zwar hat der Präsident die Hoheit über die Außenpolitik, aber viele Iran-Sanktionen hat der Kongress verhängt. Obama kann sie nur aussetzen. Anders als noch vor ein paar Monaten, wäre Iran eventuell bereit, sich darauf einzulassen. Sollte der Kongress aber neue Strafen beschließen, wären die Gespräche in höchster Gefahr. Das Weiße Haus hat dem Senat enge Konsultationen versprochen, verweigert ihm aber eine Mitsprache über ein etwaiges Abkommen. Der republikanische Senator Mark Kirk drohte schon, neue Sanktionen per Gesetzesinitiative auf den Weg zu bringen - die Obama nur mit einem Veto stoppen könnte. In Iran wäre das Wasser auf die Mühlen der Scharfmacher, die sagen, dass man den Amerikanern nicht trauen kann.

823 Hinrichtungen seit Rohanis Wahl

Auch in Teheran ist ein Machtkampf im Gange - Ausgang offen: Der Pragmatiker Hassan Rohani hatte die Präsidentenwahl gewonnen, weil sich die Menschen eine Aufhebung der Sanktionen erhofften. Zugleich hatte er mehr Freiheiten versprochen. Diesen Teil seines Programms hat er bislang nicht durchsetzen können gegen die Hardliner. 823 Menschen sind laut den UN seit Rohanis Wahl hingerichtet worden. Den Versuch, die Universitäten wieder für Sympathisanten der grünen Revolution zu öffnen und Restriktionen für Frauen aufzuheben, beantwortete das von Konservativen dominierte Parlament mit der Absetzung des Bildungsministers.

Im März wählen die Iraner ein neues Parlament - Rohani braucht einen Erfolg im Nuklearstreit, will er eine Niederlage gegen die Ultrakonservativen vermeiden. Anders als in der Innenpolitik hat ihm Ayatollah Chamenei bei den Verhandlungen freie Hand gelassen. Er sehe die Notwendigkeit, der Wirtschaft des Landes Luft zu verschaffen, sagen iranische Diplomaten. Letztlich wird er einem möglichen Abkommen aber nur zustimmen, wenn er seine Position im Machtgefüge dadurch gestärkt sieht.

Chamenei ist der richtige Adressat für Obamas Schreiben, doch ist es fraglich, ob er an einer umfassenderen Zusammenarbeit interessiert ist. Er hat IS als Schöpfung der USA und Israels bezeichnet, um die Muslime zu spalten. Und wie viele Konservative sieht er in einer Öffnung Irans einen Verrat an der Revolution - und nicht zuletzt eine Gefahr für seine Herrschaft. Obamas Avancen, so verlockend sie klingen mögen, könnten also erneut ohne Reaktion bleiben. Bislang hat ihm Ayatollah Chamenei nicht geantwortet.

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