Wohnen:Städte fordern Vorkaufsrecht zurück

Wohnen: Metropolen wie Hamburg - hier die Siedlung Kirchdorf-Süd im Stadtteil Wilhelmsburg - pochen auf Privilegien bei der Schaffung öffentlichen Eigentums.

Metropolen wie Hamburg - hier die Siedlung Kirchdorf-Süd im Stadtteil Wilhelmsburg - pochen auf Privilegien bei der Schaffung öffentlichen Eigentums.

(Foto: SZ Photo)

Die Bürgermeister von Berlin, Hamburg und München drängen die Ampel-Koalition zur Eile. Sie wollen privaten Investoren wieder Mietshäuser wegschnappen können. Aber die FDP sträubt sich.

Von Sebastian Krass und Roland Preuß, Berlin/München

Es ist ein Hilferuf aus den drei größten Städten des Landes. "Die jetzige Situation bedeutet für viele Mieterinnen und Mieter vor allem große Unsicherheit, ob ihre Wohnung auch morgen noch bezahlbar bleibt", erklärt Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) drängt, die Städte müssten "dieses wichtige Instrument weiter nutzen können", Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) pocht auf den "wichtigen Baustein" für mehr Mieterschutz.

Die beiden Bürgermeister und ihre Amtskollegin haben am Mittwoch eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der sie ein schlagkräftiges Vorkaufsrecht für die Kommunen zurückfordern. Man sehe "dringenden Handlungsbedarf", heißt es, man werde sich bei Bund und Ländern dafür einsetzen.

Das bisherige Vorkaufsrecht hatte Städten und Gemeinden grob gesagt erlaubt, privaten Investoren beim Kauf von Häusern zuvorzukommen, wenn Luxussanierungen oder hohe Mietsteigerungen zu befürchten waren. Anfang November jedoch kippte ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts diese Regelung weitgehend. Um die Möglichkeit wieder zu eröffnen, müsste eine neue gesetzliche Regelung her. Eine entsprechende Initiative des Landes Berlin liegt derzeit im Bundesrat, über sie ist noch nicht entschieden. Die drei Bürgermeister erhöhen mit der Erklärung nun den Druck auf die Ampel-Koalition in Berlin, welche Mieterinnen und Mieter erklärtermaßen ohnehin besser schützen will.

Zuvor hatte sich auch die CSU dafür erwärmen können, das Vorkaufsrecht nachzuschärfen. Kurz nach dem Urteil wollte bereits die Bauministerkonferenz der Länder den Bund zu einer schnellen Gesetzesänderung auffordern, die einzige Gegenstimme kam aus dem CSU-geführten Bayern. Man wolle erst die Urteilsbegründung prüfen, hieß es zur Begründung.

Auch Bayern unterstützt jetzt die Forderung

Diese lange Prüfung kam nun zum gleichen Ergebnis wie die kurze der anderen Bundesländer. Vergangenen Freitag forderte auch Bayerns Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) die Bundesregierung auf, "die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen", damit Städten das entkernte Vorkaufsrecht "zukünftig wieder in größerem Umfang zur Verfügung steht". Das SPD-geführte Bundesbauministerium solle für eine entsprechende Änderung des Baugesetzbuches "bald einen Referentenentwurf vorlegen".

Mit dem Vorkaufsrecht können Kommunen in Stadtteilen, für die sie eine Erhaltungssatzung erlassen, den Verkauf von Mietshäusern an Investoren verhindern und diese in öffentliches Eigentum bringen. Nach einhelliger Ansicht der Münchner Stadtverwaltung ist das Vorkaufsrecht "das wirkungsvollste Instrument" gegen die Verdrängung von Mieterinnen und Mietern. Allein in Berlin hatten auf diesem Weg seit 2015 Genossenschaften und landeseigene Unternehmen 2674 Wohnungen für insgesamt fast 530 Millionen Euro gekauft.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte das Baugesetzbuch so ausgelegt, dass es ein Vorkaufsrecht nur hergibt, wenn eine Immobilie weitgehend leersteht oder verfällt. In den meisten Fällen ist das aber nicht der Fall, dann haben die Kommunen keine Handhabe mehr gegen den Verkauf an Investoren.

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) machte am Mittwoch klar, dass es an ihr nicht scheitern soll. "Das kommunale Vorkaufsrecht bietet Kommunen mehr Gestaltungsmöglichkeiten, um für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen", sagte sie der Süddeutschen Zeitung. "Wir brauchen den Schutz der vorhandenen Wohnungen und Bauland, um mehr Menschen in bezahlbare Wohnungen zu bringen." Am Mittwoch fand zum Thema ein Treffen von Fachleuten in Geywitz' Ministerium statt. Ihr Ziel sei, im Lichte des Urteils "rasch eine rechtssichere und praxistaugliche Neuregelung" zu schaffen.

Auch die Grünen im Bund drängen zur Eile. Es gebe einen "extrem hohen Handlungsbedarf", sagte die Wohnexpertin der Grünen, Christina-Johanne Schröder.

Die FDP will erst andere Möglichkeiten zum Schutz der Mieter prüfen

Trotz dieser breiten Front an Fürsprechern des Vorkaufsrechts dürfte sich eine Gesetzesänderung hinziehen. Denn hierfür müsste sich erst die Ampel-Koalition in Berlin einigen. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts war im November mitten in die Koalitionsverhandlungen geplatzt, die drei Parteien verständigten sich daraufhin zu prüfen ob es "gesetzgeberischen Handlungsbedarf" gibt. Das lässt letztlich alles offen.

Nach Ansicht der FDP muss diese Prüfung umfassend ausfallen, sprich: über das Urteil hinausgehen. "Bevor wir über Änderungen am Vorkaufsrecht nachdenken, müssen wir den gesamten Instrumentenkasten zum Schutz der Milieus überprüfen", sagte der wohnungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Daniel Föst, der SZ. Der Münchner Bundestagsabgeordnete betont, es gebe auch andere Möglichkeiten zum Schutz der Mieter in diesen Gebieten, etwa Vorschriften für stabile Mieten und zum Kündigungsschutz. "Greifen diese Maßnahmen überhaupt? Erreichen wir die Ziele?"

Föst möchte da auch die Frage der Sanierungen berücksichtigt sehen, die einerseits Bewohnern Angst machen, da sie zu Mieterhöhungen führen können, die aber andererseits nötig sind, damit die Gebäude weniger Energie verfeuern. "Es gibt viele offene Fragen. Zum Beispiel, wie künftig in Milieuschutzgebieten saniert wird und wer welche Kosten tragen soll." Also wie viel die Mieter, wie viel die Eigentümer. Das Vorkaufsrecht dürfte damit einfließen in die koalitionäre Verhandlungsmasse. Bis daraus ein gemeinsames Konzept geformt ist, werden wohl Monate ins Land gehen.

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