Süddeutsche Zeitung

Bettencourt-Affäre:Sarkozy sucht die Flucht nach vorn

Eine Beschäftigung mit der Korruptionsaffäre sei "Zeitverschwendung": Frankreichs Präsident verteidigt seinen in der Kritik stehenden Arbeitsminister. Ihm widersprechen jedoch sogar Angehörige der Regierungspartei.

Michael Kläsgen

Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat Arbeitsminister Eric Woerth am Montagabend in einem Fernsehinterview sein volles Vertrauen ausgesprochen. "Eric Woerth ist ein ehrlicher und zutiefst ehrenhafter Mann. Ich habe keinen Zweifel daran", sagte Sarkozy. Woerth wird verdächtigt, in seiner Funktion als Schatzmeister von Sarkozys Partei UMP vor der Präsidentschaftswahl 2007 Schwarzgeld von der L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt entgegengenommen und ihr später im Gegenzug als Haushaltsminister Steuererleichterungen gewährt zu haben.

Sarkozy nahm Woerth in Schutz und sagte, er sei Opfer einer Verleumdung. Ein Bericht der obersten Finanzaufsichtsbehörde habe den Minister von allen Vorwürfen "reingewaschen". Die Behörde hatte auf Anfrage von Woerths Nachfolger im Haushaltsministerium eine Untersuchung eingeleitet und den für Woerth entlastenden Bericht am Sonntagabend ins Internet gestellt.

Sarkozy sagte, der Bericht komme zu dem Ergebnis, dass Woerth zu keinem Zeitpunkt eingeschritten sei, um der Erbin des Kosmetikkonzerns Steuererleichterungen zu verschaffen. In dem Bericht heißt es zudem, dass es keine Indizien für Steuerbetrug gegeben habe. Die Behörde habe die Vermögensangaben von Bettencourt daher nicht eingehender geprüft als üblich.

"Faschistische Methoden"

Zuvor hatten mehrere Regierungsmitglieder den Bericht genutzt, um in die Offensive zu gehen. Woerth selbst sagte bei einem Besuch der Firma Alstom in Ostfrankreich, er sei froh, nun nicht mehr als "Punchingball" missbraucht werden zu können. "Endlich hat mir jemand geglaubt, endlich hat jemand die Wahrheit gesagt", hatte er zuvor im Radio erklärt. UMP-Sprecher Frédéric Lefebvre forderte nach der Veröffentlichung des Berichts ein sofortiges "Ende der Verdächtigungen". UMP-Generalsekretär Xavier Bertrand sagte, der Bericht beweise, dass Woerth "Opfer einer Lügenkampagne" gewesen sei. Innenminister Brice Hortefeux argwöhnte über "eine kleine Gruppe von Personen, die den klaren demokratischen Sieg von Nicolas Sarkozy 2007 nie akzeptiert hat". Er meinte damit die Journalisten, die die Affäre enthüllt haben. Bertrand hatte sie zuvor "faschistischer Methoden" bezichtigt.

Die Opposition sprach dem Bericht jegliche Relevanz ab. Er stamme von einer Behörde, die dem damaligen Haushaltsminister Woerth untergeordnet war. Daher sei er interessengeleitet. Der Sprecher der Sozialisten, Benoît Hamon, bezeichnete ihn als Teil einer Manipulationskampagne. Es sei kein Zufall, dass er kurz vor dem Fernseh-Interview mit Sarkozy publiziert worden sei. Auch Sarkozys parteiinterner Rivale Dominique de Villepin bezeichnete den Bericht als unglaubwürdig.

Ein Finanzinspektor räumte in der Wirtschaftszeitung Les Echos ein, es sei nicht verwunderlich, dass Woerth nichts nachzuweisen sei. Mündliche Anweisungen könnten kaum belegt werden. Zudem mache die Behörde keine Aussagen über einen möglichen Interessenskonflikt. Damit spielte er darauf an, dass Woerth einerseits Schatzmeister der UMP ist und seine Frau andererseits bis zum Auffliegen der Affäre Vermögensverwalterin von Bettencourt war. Medienberichten zufolge soll Woerth 2007 von Bettencourt mindestens 150.000 Euro in bar erhalten haben. Seine Frau Florence habe Bettencourt im Gegenzug beraten, wie sie Steuern sparen könne.

78 Millionen Euro in der Schweiz?

Der Minister bestritt alle Vorwürfe, erwog am Montag aber, das Amt des UMP-Schatzmeisters aufzugeben. Tatsächlich hatte Bettencourt 2008 dank der von Sarkozy eingeführten Steuerobergrenze für Vermögende 30 Millionen Euro Steuern gespart. Zudem soll die 87-Jährige 78 Millionen Euro am französischen Fiskus vorbei in der Schweiz versteckt haben, ohne dass das Ministerium eingriff.

Sarkozy nahm gleich zu Beginn des einstündigen Live-Interviews aus dem Garten des Elysée-Palastes zu der Bettencourt-Affäre Stellung. Die meiste Zeit redete er dann über die Wirtschaft allgemein und vor allem über die anstehende Rentenreform. Er sagte, Woerth werde diese Reform bis zu Ende führen.

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SZ vom 13.7.2010/mob
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