Betroffene:Ist mein Implantat sicher?

"Woher weiß ich, dass es sich dabei um das richtige Modell für mich handelt", fragt eine Leserin am SZ-Lesertelefon über ihr Implantat. Aus den zahlreichen Reaktionen der Betroffenen sprechen Sorge, Ungewissheit und Dankbarkeit.

Von Werner Bartens und Katrin Langhans

"Vor sechs Wochen habe ich ein künstliches Hüftgelenk bekommen. Woher weiß ich, dass es sich dabei um das richtige Modell für mich handelt?", fragt die Anruferin. Man hört ihr die Verunsicherung an. Sie ist 68 Jahre alt und weiß nicht, ob das Implantat in ihrem Körper hält, was sie sich davon verspricht - und was ihr versprochen wurde. "Im Januar soll ich operiert werden, ein neues Knie", sagt eine 73-jährige Dame am Telefon. "Der Arzt ist mir zwar sehr sympathisch, aber jetzt habe ich nicht nur Angst vor dem Eingriff, sondern bin auch beunruhigt, was er mir da wohl einbauen wird." Eigentlich vertraue sie ihm ja, aber jetzt werde sie den Doktor nochmals fragen, warum er sich gerade für dieses Modell entschieden habe.

Mehr als jeweils 100 Anfragen wurden am Montag und Mittwoch am SZ-Lesertelefon beantwortet. Zusätzlich erreichten die Redaktion mehr als 170 E-Mails zum Thema Implantate. Viele Patienten schilderten ihre Leidensgeschichten. Eine junge Frau etwa berichtete, dass sie nach einer missglückten Operation vor einigen Jahren nun dauerhafte Schmerzpatientin sei: "Mein Leben hat sich drastisch verändert, meine Ehe ist darüber zerbrochen, ich bin in die Armut gerutscht", schrieb die Frau, die gerne anonym bleiben möchte.

Ein Großteil der Patienten war verunsichert, viele wollten wissen: Ist mein Produkt sicher? Gibt es andere Betroffene, die ebenfalls Schmerzen leiden?

Sogar Ärzte wandten sich an die SZ-Redakteure und beklagten das lückenhafte Informationssystem. Eine Ärztin schrieb: Was soll man seinen Patienten raten? Ein wirkliches Dilemma!

"Ich war überrascht über die Breite der Nachfragen", sagt Hartwig Bauer, langjähriger Chefarzt für Chirurgie in Altötting und für die SZ ebenfalls am Lesertelefon, gemeinsam mit den Patientenberatern Alexandra Stark und Gerhard Fritsch von der AOK Bayern. "Da ging es um Herzschrittmacher, Zahnimplantate, Hüfte, Knie, Brust und etliche andere Körperregionen", sagt Hartwig Bauer. Die meisten Anrufer hatten konkrete Fragen zu ihren Implantaten. "Sie wollten vor allem wissen: Muss ich mir jetzt Sorgen machen?" Es ist ein schmaler Grat zwischen Aufklärung und Verunsicherung, das war in den Gesprächen zu spüren. Zu gerne würden Patienten die Sicherheit haben, dass ihr Implantat sorgfältig klinisch getestet und unabhängig geprüft worden ist. Wie ist das denn nun mit meinem Modell? Genau diese Frage trifft den Kern des seit Jahren verschleppten Problems und lässt sich nicht zuverlässig beantworten.

Die Zertifizierung der Produkte liegt in privatwirtschaftlicher Hand, die Kontrollen reichen nicht aus, und Register oder Datenbanken gibt es für Implantate zumeist gar nicht oder sie befinden sich erst im Aufbau. Dabei ließe sich leicht ein Register erstellen, das zeigt, welche Modelle Probleme bereiten - und welche gut sind. Kliniken müssen jeden Eingriff an die Krankenkasse melden; würden sie verpflichtet, auch Produkt und Hersteller anzugeben, entstünde eine zuverlässige Datenbank.

Viele Anrufer waren aber auch mit ihren Implantaten zufrieden und berichteten, dass sie seit dem Eingriff keine Beschwerden mehr hätten. "Ob eine Prothese die Lebensqualität verbessert, hängt ja nicht nur vom Implantat ab, sondern auch vom Geschick des Operateurs", sagt Bauer. Die Mängel in der Kontrolle der Produkte seien nicht zu beschönigen, sagte ein Kardiologe am Telefon. "Man muss aber auch betonen, dass die meisten Implantate tadellos funktionieren. Ich habe jeden Tag 30 Patienten in der Ambulanz, von denen die meisten ihr Leben einem eingebauten Defibrillator verdanken."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: