Besuch in der Ukraine:Steinmeier auf doppelter Mission

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Demonstratives Lob: Außenminister Steinmeier zu Besuch in der Ukraine, hier mit dem Übergangsministerpräsidenten Jazenjuk. (Foto: dpa)

Acht Stunden, zwei Städte und der Versuch, Hoffnung zu schöpfen: Außenminister Steinmeier überschüttet den Chef der ukrainischen Übergangsregierung während eines Kurztrips nach Kiew und Donezk mit auffällig viel Lob. Seine Mahnungen kümmern den Gastgeber Jazenjuk allerdings wenig.

Von Stefan Braun, Kiew/Donezk

Auf dem Kiewer Maidan wird nicht mehr geschossen. Und der schwarze Rauch, der vor vier Wochen noch über weiten Teilen der Stadt hing, ist an diesem Samstagmorgen einer ersten wärmenden Frühlingssonne gewichen. Die Menschen gedenken in aller Stille der Toten. Hier und da kann man aber auch jungen Familien zuschauen, wie sie vor verkohlten Hauswänden oder alten Militärlastwagen Erinnerungsfotos schießen. Die Lage in Kiew - sie ist tatsächlich besser geworden.

Wirklich gut aber ist noch lange nichts in der Ukraine, die Krise dauert an, die Spannungen auf der Krim wachsen. Deshalb ist Frank-Walter Steinmeier vier Wochen nach seiner Vermittlung Ende Februar erneut nach Kiew gereist. Die Lage sei "noch immer dramatisch'', sagt er gleich zu Anfang. Russland habe auf der Krim Fakten geschaffen und das Völkerrecht gebrochen. "Mit all unserer Erfahrung ist das ein Zustand, den wir nicht zulassen dürfen.''

Doch so resolut das klingen mag - gerade auf diesem Kurztrip des deutschen Außenministers wird erkennbar, dass sich die Zeit schon weitergedreht hat. Die Krim-Abstimmung schwingt noch mit bei Steinmeiers Treffen mit dem Chef der Übergangsregierung, Arsenij Jazenjuk. Aber beide erwecken nicht wirklich den Eindruck, als glaubten sie noch daran, an den geschaffenen Fakten nochmal etwas ändern zu können. Der Konflikt sei nicht zu Ende, wird Steinmeier später zwar sagen. Trotzdem geht es ihm jetzt um die übrige Ukraine. Deshalb will er Jazenjuk helfen und ihm zugleich ins Gewissen reden.

Bewunderung? Das ist ein großes Wort

Also sagt der deutsche Minister, ihm und allen in Deutschland sei klar, wie schwer die Aufgabe sei, die sich die neue ukrainische Regierung vorgenommen habe. Ein "fast übermenschlich großes Reformprogramm'' liege vor Jazenjuk und seinen Kollegen. "Ich bewundere den Ehrgeiz und den Mut, mit dem sie diese Aufgabe übernehmen.'' Bewunderung? Das ist ein großes Wort - und für Steinmeier die passende Überleitung.

Danach lenkt er den Blick auch auf das, was ihm fehlt, auch wenn er das in ein Lob packt. Demonstrativ begrüßt er, dass Jazenjuk in einer Rede gerade erst versprochen habe, die Rechte von Minderheiten zu sichern und eine Regierung für die ganze Ukraine anzustreben. "Das sind gute Signale'', heißt es beim deutschen Außenminister, "das ist es, was das Land braucht in dieser Lage.'' Man ahnt, dass er das auch als Mahnung gemeint hat.

Und Jazenjuk? Lächelt, lauscht und redet erst mal über das EU-Assoziierungsabkommen. Nichts scheint ihm wichtiger. Stolz schwärmt er, zur Unterschrift darunter könnten sich alle gemeinsam gratulieren. Doch so glücklich der Ukrainer sein mag, so unberührt begleitet Steinmeier seinen Auftritt. Anders als öffentlich bekundet, waren nicht alle in der EU euphorisch, diesen Schritt schon jetzt und nicht erst mit einer neu gewählten Regierung in Kiew zu machen. Vor allem in Berlin war man darüber nicht begeistert.

Jazenjuk kümmert das wenig. Er nutzt die kurze Begegnung, um Steinmeier eine konkrete Wunschliste zu präsentieren. Sein Land brauche dringend mehr Energie aus Europa, um von russischem Gas unabhängiger zu werden. Außerdem benötige man Hilfe bei der Re-Mobilisierung der Wirtschaft. Und, ja, auch bei der Rüstung müsse man zusammenarbeiten. Für die ukrainische Armee sei das zwingend notwendig. Und Steinmeier? Hütet sich, darauf eine Antwort zu geben. Er will solidarisch sein, aber nicht gleich Versprechen abgeben, die ihn in die Nähe einer ukrainischen Nato-Mitgliedschaft bringen könnten.

Zumal Steinmeier am Nachmittag auch Donezk einen kurzen Besuch abstattet, um auch der russisch-sprachigen Bevölkerung in der Ost-Ukraine Interesse und Sympathie zu bekunden. Dort trifft er den mächtigsten Oligarchen Renat Achmetow und kann anschließend erklären, auch hier sei er der Bereitschaft begegnet, eine neue Ukraine zu unterstützen. Acht Stunden, zwei Städte und der Versuch, kleine Hoffnungsschimmer auszumachen.

Wie wackelig trotzdem alles noch ist, muss Steinmeier unmittelbar vor dem Rückflug erfahren. Die OSZE-Beobachtermission ist nach mühsamsten Verhandlungen zwar am Freitagabend beschlossen worden. Aber diese Nachricht wird am Samstagnachmittag von gefährlichen Zusammenstößen zwischen russischen und ukrainischen Soldaten auf der Krim überschattet. Wie hatte es Steinmeier am Vormittag gesagt: Vor der neuen ukrainischen Regierung liege noch ein langer und mühsamer Weg. Von den jüngsten Konflikten hatte er da noch gar nichts mitbekommen.

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