Bestimmung des SPD-Kanzlerkandidaten:Urwahl-Debatte gewinnt an Fahrt

Lesezeit: 2 min

Eine große Mehrheit der SPD-Basis möchte den künftigen Kanzlerkandidaten der Partei per Mitgliederbefragung bestimmen. Auch einige führende Sozialdemokraten halten das für einen gangbaren Weg - aber nur, wenn Parteichef Beck tatsächlich Konkurrenz bekommt.

In der SPD gewinnt die Debatte über eine Bestimmung ihres künftigen Kanzlerkandidaten per Urwahl an Dynamik. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse schloss einen Mitgliederentscheid nicht aus, mahnte aber zugleich zur "Nüchternheit".

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hält eine Urwahl grundsätzlich für möglich, warnt aber vor überstürzten Entscheidungen. (Foto: Foto: Reuters)

Bei einer Urwahl im Jahr 1993 sei die SPD "kopflos" gewesen, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die damalige Wahl Scharpings durch die SPD-Mitglieder zum Parteivorsitzenden habe die SPD später nicht an die Regierung gebracht. "Eine Mitgliederentscheidung macht für 2009 nur Sinn, wenn es Bewerber gibt. Ich schließe das nicht aus, aber ich warne vor falscher Euphorie, dass damit alle Probleme der SPD gelöst wären."

Auch der frühere Kulturstaatsminister Michael Naumann, der vor kurzem als Spitzenkandidat der SPD in Hamburg antrat, hält eine Urwahl des SPD-Kanzlerkandidaten für ein möglicherweise sinnvolles Instrument. "Wenn sich der Parteivorsitzende seiner Kanzlerkandidatur nicht sicher ist, kann er auf das Mittel zurückgreifen, das einem seiner Vorgänger, Rudolf Scharping, in der Stunde politischer Not zur Verfügung stand: Er kann sich in einer Mitgliederumfrage zur Wahl stellen", schreibt Naumann in der Wochenzeitung Die Zeit.

Doch auch Naumann macht zur Bedingung, dass die Mitglieder dann auch die Wahl zwischen zwei Bewerbern hätten. Ein Mitgliederentscheid sei nur dann sinnvoll, "wenn sich ein Gegenkandidat meldet", fügte er hinzu.

Bewährtes Prozedere

Gegen eine Bestimmung des Kanzlerkandidaten durch die Parteibasis sprach sich hingegen der brandenburgische Ministerpräsident und ehemalige SPD-Bundesvorsitzende Matthias Platzeck aus - ebenfalls unter Verweis auf die Wahl Scharpings: "Von Urwahlszenarien halte ich wenig. Die letzte Urwahl auf Bundesebene führte zu Rudolf Scharping - der weitere Verlauf ist hinreichend bekannt", sagte er der Märkischen Allgemeinen.

Er setzte sich dafür ein, bei dem bewährten Prozedere zu bleiben, dass der Parteivorsitzende zu Beginn des Wahljahres seinen Vorschlag mache, der dann von einer breiten Mehrheit getragen werde.

Eine an den Ostertagen veröffentlichte Emnid-Umfrage hatte ergeben, dass die große Mehrheit der Parteibasis die Entscheidung über den Herausforderer von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in einer Urwahl fällen möchte.

Der Sprecher der parlamentarischen SPD-Linken, Ernst Dieter Rossmann, geht davon aus, dass Parteichef Kurt Beck in der Frage allein entscheiden wird. "Eine Urwahl setzt Alternativkandidaten voraus", sagte er der Neuen Presse aus Hannover.

Er gehe davon aus, dass am Ende des Jahres nicht über Alternativen nachgedacht werden müsse. Beck werde zusammen mit den Parteigremien bestimmen, wann genau er einen Vorschlag zur Kanzlerkandidatur unterbreite.

Abschreckung per Urwahl

Beck hat bereits angekündigt, seinen Vorschlag für die Bundestagswahl spätestens Anfang 2009 zu präsentieren. Dagegen sagte der Kieler SPD-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Bartels der FAZ: "Wenn die SPD bis zum Wahljahr 2009 nicht aus ihrer derzeitigen Krise herausgefunden hat, sollten wir den Mitgliederentscheid wieder nutzen."

Wenn Kurt Beck selbst eine Urwahl vorschlagen und dazu selbst antreten würde, hätte er nach Bartels Einschätzung beste Chancen auf die Kandidatur. "Allein die Ankündigung würde mögliche andere Kandidaten verschrecken, die nun hinter Büschen hocken."

Der langjährige SPD-Politiker Norbert Gansel, der als einer der frühen Verfechter eines Mitgliederentscheids über die Kanzlerkandidatur gilt, bezeichnete es nun als "Grundrecht der SPD-Mitglieder, Schlüsselentscheidungen wie die Kanzlerkandidatur mitzubestimmen".

Sollten andere Sozialdemokarten außer dem Parteivorsitzenden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) herausfordern wollen, dann dürfe die Auswahl "nicht über die Köpfe der SPD-Mitglieder hinweg getroffen werden", sagte Gansel der FAZ.

© AFP/dpa/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: