Bestattungen:Wie lange ist lange genug?

Urnenbestattungen

Urnengräber auf einem evangelischen Friedhof in Hagen.

(Foto: picture alliance/Bernd Thissen)
  • Die Stadt Olching bei München will die Mindestruhezeit für Urnengräber auf zwei Jahre reduzieren.
  • An diesem Mittwoch verhandelt das Bundesverwaltungsgericht über die Klage einer Anwohnerin.
  • Die Bestattungskultur wandelt sich: Mittlerweile führt der letzte Weg in 67 Prozent der Fälle ins Krematorium - Tendenz steigend.

Von Wolfgang Janisch

Der Tod ist in Deutschland eine streng reglementierte Angelegenheit. Die Abmessungen des Grabes, der Ablauf der Bestattung, das Verhalten beim Friedhofsbesuch: Alles ist geregelt, die Achtung der Toten erlaubt keine Unordnung. Nun aber hat die Stadt Olching bei München eine Regel erlassen, die auf Gegenwehr gestoßen ist. Die Mindestruhezeit für Urnengräber wurde per Satzung auf nur zwei Jahre reduziert - danach ist eine Umbettung ins anonyme Massengrab möglich. Bei Erdgräbern sieht die Satzung dagegen zwölf Jahre vor. Eine Einwohnerin zog vor Gericht.

An diesem Mittwoch verhandelt das Bundesverwaltungsgericht über die Klage - ein Fall, in dem sich eine gewandelte Bestattungskultur spiegelt. Vor wenigen Jahrzehnten war die Erdbestattung der Normalfall, nun haben sich die Verhältnisse umgekehrt. Bei etwa 67 Prozent führt der letzte Weg ins Krematorium, Tendenz steigend - mit Schwerpunkt in Nord- und Ostdeutschland sowie in städtischen Regionen. Stephan Neuser, Generalsekretär des Bundesverbandes deutscher Bestatter, erklärt die Zunahme von Feuerbestattungen damit, dass immer mehr Menschen auf die aufwendige Pflege der Erdgräber verzichten wollen. Das sei eine Konsequenz der alternden Gesellschaft, aber auch der wachsenden Mobilität: Die Angehörigen leben oft nicht mehr am Ort ihrer Eltern.

Mit dem Trend zum Urnengrab gerät auch die Ruhezeit unter Druck. Beim Sarg gibt es sozusagen eine natürliche Mindestdauer zwischen zehn und 20 Jahren, in der das Grab unangetastet bleiben muss - das hat mit dem Verwesungsprozess zu tun. Dieses Argument fällt weg, wenn vom Verstorbenen nur noch Asche bleibt. Weshalb sich die Frage stellt: Darf es auf dem Friedhof künftig eine Zweiklassengesellschaft geben?

Neuser hält zwei Jahre für viel zu kurz, und zwar deshalb, weil es hier um psychologische Prozesse geht: "Die Trauer braucht oftmals länger." Er hält zehn Jahre für eine brauchbare Mindestfrist und plädiert für Gleichbehandlung zwischen Erd- und Urnengräbern. Dies ist beispielsweise im nordrhein-westfälischen Bestattungsgesetz vorgeschrieben - aber eben nicht in Bayern. Und weil die Friedhöfe unter Kostendruck stehen, könnte manche Kommune die Ruhezeit abkürzen. Um den Urnenplatz möglichst bald neu vergeben zu können.

Sorgt das Bundesverwaltungsgericht nun für eine Gleichbehandlung der Toten? Rechtlich ist das kompliziert. Zwar gibt es in der Tat ein Persönlichkeitsrecht, das über den Tod hinausreicht - aber das schützt vor allem vor Herabwürdigung. Der Verwaltungsgerichtshof München hatte Anfang 2018 jedenfalls keine Bedenken gegen Umbettungen ins anonyme Grab. Schon deshalb, weil die Ruhezeit nur eine absolute Mindestfrist ist; die Angehörigen haben es in der Hand, das Grab über einen längeren Zeitraum zu erhalten. Tun sie es nicht, "so besteht erkennbar kein Bedürfnis mehr für einen individuellen Ort der Totenehrung und der Trauerbewältigung", schreibt das Gericht. Soll heißen: Das Grab ist wohl doch vor allem für die Lebenden da.

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