Beschluss des Verfassungsgerichts:Was die Sabah-Entscheidung für den NSU-Prozess bedeutet

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Das OLG muss nun auf den Beschluss des Verfassungsgerichts reagieren.

(Foto: AFP)

Die Türkei begrüßt die Entscheidung des Verfassungsgerichts: Das Münchner Gericht muss beim NSU-Prozess Plätze für türkische Medien reservieren. Doch nun drängt die Zeit - in vier Tagen soll der Prozess beginnen und viele Fragen sind noch offen.

Rund um das Gericht stehen 600 neue Halteverbotsschilder, die Münchner Polizei ist in Alarmbereitschaft. In vier Tage soll in der Nymphenburger Straße einer der wichtigsten Prozesse in der jüngeren Geschichte Deutschlands beginnen. Das Verfahren gegen Beate Zschäpe und die mutmaßlichen Helfer der rechtsradikalen Terrorzelle NSU. Sie soll zehn Menschen ermordet haben. Nachdem das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Freitagabend entschieden hatte, dass eine angemessene Zahl von Sitzplätzen an türkische und griechische Journalisten vergeben werden muss, ist die Erleichterung groß - und viele Fragen sind offen.

Der Richterspruch sei ein "Schritt in die richtige Richtung", verlautete aus dem türkischen Außenministerium in Ankara. Die Türkei hoffe nun, dass das Münchner Oberlandesgericht seine bisherige Haltung überdenke und türkischen Medienvertretern Zugang zum Gerichtssaal garantiere.

"Hilfreich", nannte der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages, Sebastian Edathy, die Entscheidung. "Das war bitter nötig", erklärte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, im Kölner Stadtanzeiger. Er hoffe jetzt, auf eine praktikable Lösung des Münchner OLG. Der Zentralrat der Muslime wird noch deutlicher. Sein Vorsitzender Aiman Mazyek sagte der Rheinischen Post: "Wir hoffen, dass diese Entscheidung nicht dazu führt, dass der Prozessbeginn verschoben werden muss." Die neue Platzvergabe müsse rasch geregelt werden.

Nach wie vor ist völlig unklar, wie das Gericht auf den Beschluss reagieren wird. Bislang hatte es jede Kritik an dem Akkreditierungsverfahren abgeblockt. Nun teilt Gerichtssprecherin Margarete Nötzel auf der Homepage des OLG mit: Zu den Konsequenzen der Entscheidung des Verfassungsgerichts könne sie sich erst äußern, wenn der 6. Strafsenat des OLG diese eingehend geprüft und dann entschieden habe. Wann das passiert sein wird, schreibt sie nicht.

Die Verfassungsrichter hatten offen gelassen, wie die neue Platzvergabe im Detail geregelt werden soll. Sie weisen den Vorsitzenden Richter an, "nach einem von ihm (...) festzulegenden Verfahren eine angemessene Zahl von Sitzplätzen an Vertreter von ausländischen Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern der angeklagten Straftaten zu vergeben". Möglich sei es, ein Zusatzkontingent von drei Plätzen zu schaffen. Oder aber die Sitzvergabe insgesamt nach anderen Regeln zu gestalten.

Das Oberlandesgericht München hatte die 50 festen Sitzplätze für Journalisten zuvor strikt nach dem zeitlichen Eingang der Akkreditierungsanträge vergeben. Dabei waren türkische Medien leer ausgegangen. Weil acht der zehn Opfer der NSU türkischer Herkunft sind, hatte das Kritik im In- und Ausland erregt. Das Münchner OLG allerdings blieb stur.

"Hier sind die Weichen vollkommen falsch gestellt worden"

Der Journalistenverband DJU hat nun ein neues Akkreditierungsverfahren für den NSU-Prozess gefordert. Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß begrüßte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Diese ändere aber nichts daran, dass es insgesamt zu wenig Pressearbeitsplätze gebe.

"Hier sind im Vorfeld aufgrund mangelnder politischer Sensibilität die Weichen vollkommen falsch gestellt worden", kritisierte Haß. "Um diesen Fehler zu korrigieren, müssten das Akkreditierungsverfahren wiederholt und mehr Plätze für die Presse geschaffen werden; auch auf eine solche Möglichkeit weist das Bundesverfassungsgericht ja ausdrücklich hin."

Das Akkreditierungsverfahren komplett neu aufzurollen, dürfte bis Mittwoch kaum mehr zu schaffen sein. Bleibt also das Zusatzkontingent. Bekommen drei weitere Journalisten einen Platz im Gericht, müssen möglicherweise andere Journalisten oder Zuschauer auf ihre Plätze verzichten. Denn der größte Münchner Gerichtssaal ist klein, sehr klein. 1,25 Millionen Euro hat der Umbau des Raumes gekostet, in dem ab Mittwoch gegen Zschäpe verhandelt werden soll. Viel größer geworden ist der Schwurgerichtssaal A 101 nicht, zeigte eine Presseführung am Freitagmorgen.

Kameras gibt es dort jetzt. Mit deren Hilfe sollen Dokumente auf die Wand projiziert werden, in einen Nebensaal übertragen wird der Prozess wohl nicht. Zu viel Angst hat das OLG, das könnte ein Revisionsgrund sein. Auch einen Umzug einen größeren Saal, etwa eine Messehalle, hatte das Gericht abgelehnt. Nun ist der untere Teil des Saals für die Nebenkläger und ihre Anwälte reserviert, auf der Empore gibt es 100 Plätze für Zuschauer und Journalisten.

Ob das Gericht einen Alternativplan hat, wollte bei der Pressevorführung am Freitagmorgen niemand sagen. Eine Alternative muss das OLG nun aber finden.

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