Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat die Entscheidung der Grünen kritisiert, den umstrittenen Salzstock Gorleben bei einer neuen Atommüll-Endlagersuche im Rennen zu lassen. "Greenpeace ist irritiert über diesen Beschluss", sagte Tobias Münchmeyer, Atomexperte der Organisation.
Offenbar sei es den Grünen wichtiger, mit Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) Entscheidungen auszuhandeln, anstatt mit dem Ausschluss von Gorleben den Weg zu einem echten Neustart in der Endlagersuche freizumachen. "Mit diesem Beschluss fallen die Grünen umweltpolitisch deutlich hinter die niedersächsische SPD zurück", sagte Münchmeyer mit Blick auf deren Forderung nach einem sofortigen Ausschluss von Gorleben.
Der Bundesparteitag der Grünen hatte zuvor beschlossen, einem Endlagersuchgesetz nur zuzustimmen, wenn die Suchkriterien so streng geregelt werden, dass eine ergebnisoffene Suche möglich ist. Sie sind optimistisch, dass der Salzstock im Wendland im Vergleich mit anderen Standorten rasch ausscheiden würde - etwa, weil nicht sicher sei, dass Wassereinbrüche verhindert werden können.
Bundesumweltminister Peter Altmaier lobte die Beschlüsse des Grünen-Parteitags zur Endlagersuche als "wichtigen Schritt der Annäherung an die Realität". "Mit ihnen öffnet sich die Tür einen Spalt weiter für einen Kompromiss", sagte Altmaier der Süddeutschen Zeitung.
Die SPD hatte, anders als nun die Grünen, 2011 bei ihrem Bundesparteitag den Ausschluss Gorlebens gefordert. Das Problem: Bei einem politischen Ausschluss könnte es an anderen möglichen Standorten Proteste wie bei Gorleben geben, um ebenfalls einen solchen Ausschluss zu erreichen. Zudem würde es bei Problemen im Suchverfahren immer heißen, es gebe ja noch Gorleben.
Der Bundesvorstand der Grünen argumentiert daher, dass anhand strenger Kriterien Gorleben nur in einem Vergleich mit anderen Optionen für immer und juristisch wasserdicht ausgeschlossen werden könne. Wenn zum Beispiel ein Kriterium wäre, dass es über der Salzschicht noch ein durchgängiges Deckgebirge geben müsse, hätte Gorleben schlechte Karten.
Seit 1977 steht nur dieser Salzstock im Fokus, in die Erkundung wurden schon 1,6 Milliarden Euro investiert. Union und FDP wollen von einer weißen Landkarte ausgehen, die Gorleben einschließt - derzeit liegen die Gespräche über einen Konsens mit SPD und Grünen auf Eis.
Bütikofer greift Merkel an
Die niedersächsischen Grünen, hier wird am 20. Januar ein neuer Landtag gewählt, drangen bisher auf einen Ausschluss Gorlebens, schwenkten nun aber auf die Linie des Vorstands ein. Die Delegierten auf dem Bundesparteitag in Hannover beschlossen aber, dass möglichst ein Sonderparteitag über ein Endlagersuchgesetz entscheiden soll.
Der niedersächsische Fraktionsvorsitzende Stefan Wenzel betonte: "Gorleben muss aufgegeben werden - und zwar für immer." Dies sei ein politischer verbrannter Standort. Der bisherige Entwurf von Bundesumweltminister Altmaier gleiche einem "Gorleben-Legalisierungsgesetz" - die Grünen fürchten, Gorleben solle durch einen Scheinvergleich mit anderen Standorten durchgesetzt werden. Der Vorschlag von Greenpeace für die Einrichtung einer Ethikkommission, die Vorschläge für eine ergebnisoffene Atommüll-Endlagersuche unter Beteiligung der Bürger erarbeitet, sei sinnvoll.
Zudem beschäftigten die Grünen sich zum Abschluss des Parteitags mit der Eurokrise. Sie fordern einen EU-Konvent, um den Staatenverbund demokratischer, transparenter und bürgerfreundlicher zu machen. Das Gremium soll noch vor der Europawahl im Mai 2014 seine Arbeit aufnehmen.
Außerdem will die Partei das Europa-Parlament aufwerten: Den Abgeordneten sollen deutlich mehr Mitentscheidungs- und Kontrollrechte übertragen werden. Der neu gewählte Vorsitzende der Europäischen Grünen, Reinhard Bütikofer, warf Kanzlerin Merkel vor, den Kontinent zu spalten und so "den Nährboden für eine neue nationalistische Verhetzung" in der EU zu schaffen. Notwendig sei stattdessen eine "Sozialunion", gerade angesichts massenhafter Jugendarbeitslosigkeit etwa in Spanien.
In der Energiepolitik setzen sich die Grünen dafür ein, in Deutschland keine neuen Kohlekraftwerke zu bauen oder zu genehmigen. Ziel sei es, bis 2030 so schnell wie möglich zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien umzusteigen.