Süddeutsche Zeitung

Berlusconi und die Frauen:Bitte lächeln

Zahnarzthelferin Nicole Minetti rettet nach dem Angriff mit dem Miniaturdom Silvio Berlusconis strahlendes Lächeln. Als Dank gibt es eine Kandidatur für die Regionalwahlen der Lombardei.

Patrizia Barbera

Der 13. Dezember 2009 war kein guter Tag für das Dauerlächeln von Silvio Berlusconi. Für die hübsche Zahnarzthelferin Nicole Minetti hätte er aber nicht besser laufen können. Während eines Auftritts in Mailand - Teil der Mobilisierungskampagne für die lombardische Regionalwahl im März - wirft ein geistig verwirrter Besucher mit einem Souvenirmodell des Mailänder Doms nach dem italienischen Ministerpräsidenten. Blutüberströmt und mit zwei beschädigten Zähnen wird Berlusconi in das Mailänder San-Raffaele-Krankenhaus eingeliefert. Nicole Minetti hat hier einen Monat zuvor ihre Ausbildung als Zahnarzthelferin beendet - und darf gleich an höchster Stelle verarzten.

Nun berichten italienische Zeitungen und die englische Daily Mail, Berlusconi habe seine Zahnfee für seine Partei Popolo della Libertà (Volk der Freiheit) für die kommende Regionalwahl in der Lombardei aufgestellt. Politische Erfahrung hat Minetti nicht. Dafür aber das Talent, sich galant zu räkeln. Nach dem Vorfall in Mailand durfte sie leichtbekleidet in den italienischen Fernsehshows Colorado Café und Scorie tanzen. Beide Shows sind Teil der Sendergruppe Mediaset, die der Familie des Multimillionärs Berlusconi gehört.

"Ich bringe mich um für euch und darf niemanden vorschlagen?"

Wenn es nach Berlusconi geht, soll Minetti auf der Liste von Roberto Formigoni, Präsident der Region Lombardei, kandidieren. Die Popolo della Libertà hat die Kandidatur noch nicht offiziell bestätigt. Der Regierungschef selbst bezeichnet die Regionalwahl als wichtigen Test für seine Regierung in Rom und rechnet mit landesweiten Auswirkungen.

Die Empörung in Italien ist groß. Italienische Blogger fragen zynisch, ob das Showgirl nicht auch gleich für das Amt der Gesundheitsministerin aufgestellt werden könnte. Berlusconi versteht die Aufregung nicht: "Was wollen sie denn? Ich habe die Partei gegründet, sie finanziell aufgebaut und gebe alles für die Stimmen der Menschen. Ich bringe mich um - und da darf ich nicht mal jemanden vorschlagen?"

Talkshowaffin, attraktiv, weiblich - diese Eigenschaften trafen oft auf Berlusconis Schützlinge zu. Schon vor der Europawahl im vergangenen Jahr sorgte der wegen seiner Affären heftig umstrittene Ministerpräsident für Furore. Unter seinen bevorzugten Kandidaten für das Europaparlament waren eine blonde TV-Moderatorin und eine ehemalige Big-Brother-Kandidatin. Politische Kompetenz: negativ.

Dass sich viele italienische Medien und Bürger beschwerten, beeindruckte Berlusconi wenig: "Wir wollen unsere politische Klasse mit Personen erneuern, die ihre Präsenz im Straßburger Parlament garantieren." Seine Kandidatinnen seien "keine schlechtgekleideten und übelriechenden Menschen wie die Vertreter anderer Parteien, die im Parlament sitzen".

"Schamlose Luder"

Doch als sich Ehefrau Veronica Lario zu Wort meldete, war der Spaß vorbei. In einem öffentlichen Brief an die italienische Agentur Ansa nannte sie Berlusconis Kandidatinnen "schamlose Luder im Dienst der Macht" und reichte kurze Zeit später die Scheidung ein. In den folgenden Monaten kamen immer wieder Sexskandale um den 73-jährigen Regierungschef ans Licht. Callgirls melden sich bei der Presse und berichten exklusiv von ihren Liebesnächten mit Berlusconi; auch die minderjährige Noemi, mit der sich der Cavalliere getroffen haben soll, sorgt für großen Medienrummel.

Beobachter und Medienexperten kritisieren Berlusconis absichtliche Inszenierung in den Medien. Mit seinem bewusst machohaften Auftreten verstört der Regierungschef zwar viele Italiener, ebenso viele bewundern ihn aber auch dafür und empfinden seine Eskapaden als charmante Gaunereien. Autorin Friederike Hausmann, die sich seit Jahrzehnten mit italienischer Geschichte befasst, kritisiert die mediale Inszenierung Berlusconis. Durch die Tatsache, dass ein Berlusconi'scher Skandal den nächsten jage, würden wichtige Themen nur im Geheimen besprochen und von der italienischen Öffentlichkeit nicht wahrgenommen.

Neben der jungen Zahnarzthelferin führen noch weitere Nominierungen der Ende März stattfindenden Wahl in der Lombardei für Aufruhr. Auch Giorgio Puricelli, ehemaliger Masseur beim AC Mailand und Mitarbeiter Berlusconis, und das Model Graziana Capone sollen nominiert sein. Italienische Medien nennen sie die zweite Angelina Jolie.

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