Süddeutsche Zeitung

Berlusconi trifft Gaddafi:"Führer von großer Weisheit"

Sie loben sich gegenseitig als ausgezeichnete Freunde und weise Führer: Silvio Berlusconi hofiert Muammar el Gaddafi, weil Italien die Hilfe des libyschen Diktators braucht - und sein Geld.

Stefan Ulrich, Rom

Eines muss man Muammar el Gaddafi lassen: Er versteht es noch besser als Silvio Berlusconi, sich in Szene zu setzen. Weil der italienische Premier den libyschen Diktator nicht persönlich auf dem Flughafen in Rom abholen wollte, drohte Gaddafi aus der Luft, seine Maschine abdrehen zu lassen.

Natürlich gab Berlusconi nach. So konnten sich die erklärten Freunde auf dem Rollfeld küssen und herzen. Der wie gewöhnlich schillernde Italiener sah dabei neben dem Libyer blass aus. Der Oberst aus der Wüste hatte seine Uniform so reich mit Kordeln, Fransen, Kragenspiegeln, leuchtenden Knöpfen und bunten Orden behängt, dass er wie eine Mischung aus Zirkusdirektor und Weihnachtsbaum anmutete.

Auch sonst bot der Revolutionsführer mit Zottelhaar und Sonnenbrille bei seinem ersten Staatsbesuch in Rom viel Spektakel. Da waren seine schmucken Leibwächterinnen, die die nüchterne Nachrichtenagentur Ansa als "Amazonen" und "Augenweide" pries; oder der Kamelsattel, den Gaddafi dem greisen italienischen Präsidenten Giorgio Napolitano schenkte. Und natürlich nächtigt der oberste Libyer nicht wie jeder dahergelaufene Staatschef im Luxushotel, sondern in einem Zelt, das er im Park der Villa Doria Pamphili aufschlagen ließ.

Man könnte Gaddafis Romfahrt als Freakshow abtun. Doch damit würde man dem Besuch nicht gerecht. Denn die Reise birgt historische, politische und wirtschaftliche Substanz.

Das war schon bei Gaddafis Ankunft am Mittwoch zu erkennen. Da prangte auf seiner Jacke ein Foto von Omar al-Mukhtar, einem einst von den Italienern hingerichteten Freiheitskämpfer. Die Kolonialmacht Italien hatte Libyen 1912 bis 1943 beherrscht und Widerstand grausam unterdrückt. Dafür warf Gaddafi nach seiner Revolution im Jahr 1969 Tausende Italiener aus dem Land. Lange war das Verhältnis beider Staaten belastet.

Erst Berlusconi gelang es 2008, endgültig mit Libyen Frieden zu schließen. Er entschuldigte sich für italienische Verbrechen, offerierte eine Milliarden-Entschädigung und unterzeichnete einen Freundschaftsvertrag. Dieser Einsatz Berlusconis dürfte dem ganzen Westen zugute kommen, da so das eigenwillige, früher als Terror-Sponsor geltende Gaddafi-Regime eingebunden wird.

Der Besuch in Rom besiegelt nun die Aussöhnung mit Italien. "Heute ist es eine befreundete Nation", sagte der Oberst. Berlusconi sei ein "ausgezeichneter Freund des libyschen Volkes". Der Premier revanchierte sich, indem er den Wüstendiktator einen "Führer von großer Weisheit" nannte. Gaddafis Sicht auf den Nahen Osten und den Irak habe sich als "äußerst zutreffend und für mich erleuchtend" erwiesen, schwadronierte Berlusconi.

Für die Regierung in Rom ist der Libyer äußerst wichtig. Er hat versprochen, Italien bei der Bekämpfung der illegalen Migration über das Mittelmeer zu helfen und gemeinsam mit den Italienern die libyschen Grenzen zu kontrollieren. Dass dabei auch asylberechtigte Afrikaner auf der Strecke bleiben, schert Gaddafi nicht.

"Wenn wir auf Amnesty International hören würden, hättet ihr bald ganz Afrika bei euch zu Hause", provozierte er in Rom. In Afrika gebe es keine politischen Probleme und damit auch keine politisch Verfolgten.

Solche Dreistigkeiten erbittern all die Politiker und Menschenrechtler, die sich in Rom gegen den Besucher wenden. "Wir brauchen keinen weiteren Diktator in Italien", kritisierten Demonstranten in der Innenstadt. Auf einem Plakat im Park der Villa Pamphili stand zu lesen: "No Camping, Gaddafi."

Die linke Opposition erzwang, dass Gaddafi am Donnerstag nicht im Plenarsaal des Senats sprechen durfte, sondern nur in einem Nebengebäude. Berlusconi fand das schändlich. Kein Wunder - schließlich geht es außer um Versöhnung und Flüchtlingspolitik auch um viel Geld.

Italien bezieht etwa ein Drittel seiner Gas- und Ölimporte aus Libyen. Es soll noch mehr werden. Die Libyer sind zudem potente Investoren für die italienische Wirtschaft. Sie sind bereits an Banken wie Unicredit, am Energiekonzern Eni und am Fußballclub Juventus Turin beteiligt.

Umgekehrt verspricht Gaddafi, sein Land stärker für italienische Unternehmen zu öffnen. Sogar vertriebene Kolonial-Italiener sollen wieder willkommen sein. Daher ist Berlusconi bereit, ihn als weisen Führer zu rühmen und über die Verletzung der Menschenrechte und andere dunkle Seiten hinwegzusehen.

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SZ vom 12.06.2009/bavo
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