Wenn sich jemand als geistiger Vorläufer Donald Trumps bezeichnen darf, so ist es Silvio Berlusconi. All das, womit der Amerikaner seine Gegner überrascht, düpiert und besiegt hat, perfektionierte der Italiener bereits zwei Jahrzehnte zuvor. Berlusconi inszenierte sich als Kämpfer gegen das Establishment, der auf politische Korrektheit pfiff, alle Gegner als Kommunisten verunglimpfte, seinen Anhängern das Blaue vom Himmel herab versprach, die Justiz beschimpfte, den Staat verachtete, mit seinem Reichtum protzte, mit Frauengeschichten prahlte und sich in grotesker Weise selbst lobte, zum Beispiel als "Gesalbten des Herrn".
Trotzdem - oder gerade deswegen - wählte eine knappe Mehrheit der Italiener Berlusconi mehrmals zum Premier. Als er 2011 endlich abtreten musste, spotteten Europas Politiker über ihn auf offener Bühne. Dabei gab es eigentlich nichts zu lachen. Berlusconi hinterließ ein gespaltenes Land mit verrotteter politischer Kultur, das vor dem finanziellen Kollaps stand. Dennoch atmeten viele in der EU auf. Denn eines schien festzustehen: Berlusconi kehrt nie mehr zurück.
Dabei hätte die Erfahrung lehren müssen, dass Berlusconi immer wieder kommt. Diese Woche schlug der 81 Jahre alte Parteichef der Forza Italia bei der EU in Brüssel auf, um sich von konservativen Spitzenpolitikern wie dem an sich klugen Manfred Weber (CSU) als Staatsmann, großen Europäer und Bollwerk gegen Rechtspopulismus hofieren zu lassen.
Ausgerechnet Berlusconi. Die Not muss groß sein in der EU, wenn man diesen Polithasardeur jetzt als Stabilisator umgarnt. Allerdings gibt es gute Gründe, der italienischen Parlamentswahl am 4. März entgegenzubangen. Umfragen verweisen die regierenden Sozialdemokraten auf den letzten Platz der drei großen Kräfte. Die zweite Stelle dürfte die schlingernde, europaskeptische Protestpartei der Fünf Sterne erobern. Und zur Nummer eins wird wohl ein Rechtsbündnis aus Berlusconis Forza Italia, der extremen Lega Nord und kleineren Gruppen. Zwar darf Berlusconi wegen einer Korruptionsverurteilung nicht selbst Premier werden. Er könnte aber einen Regierungschef von seinen Gnaden einsetzen.
Halb so schlimm, denkt man in Brüssel und Berlin. Immerhin hat Berlusconi eingesehen, dass er mit antieuropäischen Tiraden derzeit nicht gewinnen kann. Also mimt er den Mustereuropäer, der vorgibt, die Schuldenregeln befolgen und die EU stärken zu wollen. "Wenn es nicht wahr ist, so ist es doch gut erfunden", lautet ein italienisches Bonmot.
Der Ex-Premier hat Italien fast ruiniert. Europas Konservative sollten sich vor ihm hüten
Niemand, der es gut mit Italien und Europa meint, sollte auf Berlusconi hereinfallen. Seine Versprechen an Steuerzahler, Rentner und sonstige Wählergruppen könnten, falls er sie realisiert, das hoch verschuldete Land kippen lassen - mit wohl tödlichen Folgen für Euro und EU. Seine Kumpanei mit Wladimir Putin würde die Fraktion der Nationalautoritären in der EU stärken. Sein Partner, die Lega Nord, könnte aus Ministersesseln heraus gegen Migranten hetzen. Und sobald es ihm opportun erschiene, würde Berlusconi seinen Landsleuten wieder erzählen, die EU sei an allem Schuld.
Die bürgerlichen Kräfte Europas müssen akzeptieren: Die einzige konstruktive, reformwillige Kraft Italiens bilden derzeit die Sozialdemokraten. Sie gilt es so gut wie möglich zu unterstützen. Wer auf Berlusconi setzt, wird das bald bereuen.