Berliner Rede:Köhler mahnt Reformen an

Klare Worte des Bundespräsidenten: Horst Köhler hat in seiner Berliner Rede die ungleiche Einkommensverteilung in Deutschland kritisiert - und Strukturreformen gefordert.

Bundespräsident Horst Köhler hat in seiner Berliner Rede 2007 dazu aufgerufen, die Vorteile des globalen Wandels zu nutzen und jeden daran teilhaben zu lassen.

Deutschland muss sich nach den Worten des Bundespräsidentes innerlich auf die Globalisierung einstellen. Die Chancen und Lasten dieses Prozesses müssten fair verteilt werden, sagte Köhler in der Bundeshauptstadt Es gebe soziale Härten, doch habe der Sozialstaat Bestand.

Die Deutschen brauchten in Sachen Globalisierung mehr Klarheit, um selbstbestimmt leben zu können, so Köhler. Dauerhafter wirtschaftlicher Erfolg benötige Rechtssicherheit, sozialen Frieden, gut ausgebildete und fleißige Menschen mit freien Entfaltungsmöglichkeiten und eine gute Infrastruktur.

Der Bundespräsident rief die Deutschen ausdrücklich auf, ihre Möglichkeiten besser zu nutzen und sich wieder an die Spitze von Wissenschaft und Wirtschaft hochzuarbeiten.

Köhler forderte die Regierung auf, ein verlässliches soziales Netz und gleiche Zugangsbedingungen zu Bildung und Aufstieg zu schaffen: "Nicht die Welt ist Schuld an unseren Schwächen - wir stehen uns oft selber im Weg", unterstrich Köhler.

In der Gesamtschau von Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Familienpolitik könne Deutschland bisher nicht als effektiv vorsorgender Sozialstaat gelten, bemängelte Köhler unter Verweis auf eine Analyse des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung. Deutschland tue sich schwer damit, Probleme rasch und nachhaltig zu lösen.

Globalisierung als Chance

Zum großen Gehaltsgefälle in Deutschland betonte er: "Der Aufstieg der einen darf nicht der Abstieg der anderen sein." Eine wachsende Ungleichheit der Einkommen sei in der Vergangenheit nur hingenommen worden, weil die Kurve für alle nach oben wies.

Er sprach sich zugleich für eine stärkere Beteiligung der Arbeitnehmer am Kapital der Unternehmen aus und für die Sicherung des sozialen Netzes im Sinne eines "ertüchtigend-vorsorglichen Staats". Er müsse den "betreuend fürsorglichen Staat" ablösen. Alle müssten endlich auch gleiche Zugangschancen zu guter Bildung haben.

Köhler warnte davor, "bei der Erneuerung auf halbem Wege stehen zu bleiben". Er betonte, "die mutigen Reformen der vergangenen Jahre" hätten einen deutlichen Beitrag zum Rückgang der Arbeitslosigkeit geleistet: "Ich bin der Ansicht: Vollbeschäftigung ist möglich." Die Globalisierung bringe mehr Vor- als Nachteile, sagte Köhler. Gerade in der globalisierten Welt könne der Sozialstaat seine Stärke beweisen.

Geldwertstabilität und internationaler Handel brächten bessere Voraussetzungen für soziale Politik als Inflation und Abschottung. Das Sozialmodell der westlichen Demokratie sei weltweit zum Vorbild geworden. Auch in den Entwicklungsländern habe die Globalisierung Fortschritte bewirkt. "Die friedliche und faire Konkurrenz der Nationen ist gewiss nicht immer bequem, aber sie birgt unerschöpfliche Kraft", so der Bundespräsident.

Zugleich unterstrich Köhler, gerade für die armen Länder gebe es trotz positiver Entwicklungen "noch unendlich viel zu tun". Er forderte "ein Ende der Doppelstandards in der Welthandelspolitik" hin zu einer besseren Integration von Entwicklungsländern. Auch sei noch mehr Engagement gegen den Klimawandel sowie eine Stärkung der Vereinten Nationen nötig.

Europa könne und solle sich mehr daran beteiligen, den Weg "zu einer weltweiten Werte- und Friedensgemeinschaft" zu finden.

Die Tradition der "Berliner Reden" hatte vor zehn Jahren der damalige Bundespräsident Roman Herzog begründet. Vor einem Jahr hatte sich Köhler in seiner ersten "Berliner Rede" mit den Mängeln des deutschen Bildungssystems befasst.

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