Wahl in Bremen:Und plötzlich jagt der Puls

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Besucher der Wahlparty der SPD in Bremen reagieren auf die ersten Wahlprognosen. (Foto: dpa)
  • In der Hansestadt sind gewohnte Mehrheiten geschwunden: Die SPD und ihr grüner Koalitionspartner büßten Stimmen ein, die Linke und die FDP legten zu.
  • Das Resultat dürfte in den Besprechungszimmern der Macht in Berlin das Nachdenken über mögliche neue Koalitionen anregen.

Von Nico Fried, Berlin

Man hatte in den vergangenen Tagen nicht den Eindruck, dass die Landtagswahl in Bremen den Puls führender Bundespolitiker spürbar beschleunigen würde. Zu klein das Bundesland, zu klar die Verhältnisse. Am Wahlabend selbst könnte sich das plötzlich doch ein wenig geändert haben, auch wenn man den entsprechenden Handgelenken nicht sehr nahe kam: Die meisten Parteien feierten ihre Wahlpartys in der Bundeshauptstadt in sehr kleinen Kreisen. Doch wann immer gewohnte Mehrheiten zu schwinden drohen, regt das in den Besprechungszimmern der Macht die Phantasie an, welche neuen Koalitionen nun möglich sind. Und auch wenn jeder Bundespolitiker stets brav sagen wird, dass diese Entscheidung natürlich in Bremen zu treffen sei, denkt man in Berlin schon auch intensiv darüber nach, welches Signal von einer möglichen neuen Koalition für die Bundespolitik ausgehen könnte.

In den ersten Prognosen aus der Hansestadt hatten die bisherigen Regierungsparteien SPD und Grüne massive Verluste wegzustecken. Freilich sah es am späten Abend danach aus, als bleibe eine hauchdünne Mehrheit für die Koalition erhalten. Die Bundesvorsitzende der Grünen, Simone Peter, machte denn auch gleich klar, dass bei aller Enttäuschung über das schwache Resultat das entscheidende Wahlziel doch erreicht sein könnte. "Ich gehe davon aus, dass wir die rot-grüne Regierungskoalition fortsetzen", so Peter im ZDF. Ansonsten hatte sie zu dem schwachen Ergebnis nicht viel mehr zu sagen, als dass diesmal eben die Atompolitik nicht eine solche Zugkraft gehabt habe wie bei der letzten Abstimmung 2011 in Bremen, als die Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima die Grünen auf weit mehr als 20 Prozent gehievt hatte.

Für die Bundes-SPD ist das eine kitzlige Situation

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In der SPD legte man den Schwerpunkt denn doch ein bisschen anders als die Grünen. Generalsekretärin Yasmin Fahimi konstatierte zunächst einmal, dass die Sozialdemokraten keinen Grund zur Trauer hätten. Sie sei jedenfalls sehr zufrieden damit, dass die SPD den klaren Auftrag zur Regierungsbildung erhalten habe. Seit 70 Jahren regiere ihre Partei in der Hansestadt, "das muss man erst mal nachmachen". Anders als bei Simone Peter, die davon ausging, dass die rot-grüne Koalition weiter regieren könne, äußerte Fahimi nur die Hoffnung, dass es für das bisherige Bündnis noch reichen könne. Eine Nuance, die Optionen öffnet: Da schwang zum Beispiel schon die Möglichkeit mit, dass die SPD im Zweifel eben einen weiteren Partner neben den Grünen hinzunehmen - oder zulasten der Grünen gleich auf die CDU zugehen müsse.

Und da würde es dann richtig interessant. Sollte Jens Böhrnsen in Bremen mit den Grünen am Ende keine ausreichende Mehrheit mehr erzielen oder auch nur eine Mehrheit, die ihm zu knapp sein könnte, stünden mit der FDP und mit der Linken rechnerisch zwei Partner für ein Dreierbündnis bereit. Für die Bundes-SPD wäre das eine kitzlige Situation, denn so klein das Bundesland Bremen sein mag, so groß wäre doch die Aufmerksamkeit dafür, welchen zusätzlichen Partner sich Böhrnsen holen würde. Der schloss eine Koalition mit der Linken noch am Wahlabend aus. Da dürfte es im Zweifel zu ersten Streitereien in der Partei, ob das auch ein Fingerzeig für die Bundestagswahl 2017 sein könnte, nicht mehr weit sein. Denn eine Ampel-Koalition wäre zwar mutmaßlich das strategische Lieblingsspielzeug von Parteichef Sigmar Gabriel. In manchen Sedimenten der SPD wird das aber ganz anders gesehen: Hier spekuliert man trotz aller aktuellen Probleme mit der Linken in der Außenpolitik irgendwann doch noch auf die Erlösung aus dem Joch der großen Koalition mithilfe einer rot-rot-grünen Koalition.

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Die CDU bleibt das fünfte Rad am Wagen

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Die CDU ist bei alledem nur das fünfte Rad am Wagen. Michael Grosse-Brömer, der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, war von der Parteispitze um Angela Merkel zwar erkennbar mit dem Auftrag vor die Kameras geschickt worden, die rot-grüne Regierung für gescheitert zu erklären, auch wenn das im Laufe des Abends immer unwahrscheinlicher wurde. Eine "historische Schlappe" sei das für die rot-grüne Koalition und für die SPD alleine das schlechteste Ergebnis in Bremen aller Zeiten, frohlockte Grosse-Brömer. Ob das alles freilich dazu führen würde, dass die CDU womöglich in einer großen Koalition plötzlich mit an der Regierung sitzt, das war noch völlig offen. Zum eigenen Ergebnis sagte der CDU-Politiker nur den bemerkenswerten Satz, mit fast 23 Prozent sei die CDU "wieder da". Nur wo genau, das blieb offen.

© SZ vom 11.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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