Süddeutsche Zeitung

Berliner Landesregierung:Berlin steuert auf große Koalition zu

SPD-Landeschefin Franziska Giffey sieht größere Schnittmengen mit der CDU als mit Grünen und Linken.

Von Verena Mayer, Berlin

Im Land Berlin bahnt sich eine große Koalition an. Nach der Wiederholungswahl vor knapp drei Wochen deutet alles auf Verhandlungen zwischen CDU und SPD hin. Wie am Donnerstag bekannt wurde, will Wahlgewinner und CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner seinem Landesvorstand vorschlagen, mit der SPD über die Bildung eines neuen Senats zu verhandeln. Sollten diese Verhandlungen erfolgreich sein, wäre das Dreierbündnis aus SPD, Grünen und Linken Geschichte. Dieses regierte seit 2016 in unterschiedlichen Konstellationen und hätte auch im neuen Parlament eine Mehrheit.

Die SPD-Landesvorsitzende und Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey begründete die für viele überraschende Hinwendung zur CDU damit, man habe sich "aus Respekt vor dem Wahlergebnis" dafür entschieden. Zudem habe es in den Sondierungsgesprächen mehr Schnittmengen mit der CDU als mit den bisherigen Partnern Grüne und Linke gegeben. Als Beispiele nannte Giffey eine "funktionierende Stadt", Wohnungsbau sowie Ordnung und Sicherheit. Die Frage sei gewesen, ob man mit dem bisherigen Bündnis einen echten Neubeginn hinbekomme. "Da haben wir große Zweifel", sagte sie dem Sender RBB. Giffey, die erst seit Ende 2021 Regierende Bürgermeisterin ist, müsste das Rote Rathaus dann verlassen. Ob sie in der neuen Regierung als Senatorin weiterarbeitet, steht noch nicht fest. Sie selbst bot das schon einmal an und sagte: "Ja, ich bin bereit, auch als Senatorin meinen Beitrag dazu zu leisten, dass gute Regierungsarbeit gelingt."

Überrascht von Giffeys Entscheidung zeigte sich auch Bettina Jarasch, die Spitzenkandidatin der Berliner Grünen, die nur 53 Stimmen hinter der SPD lagen. Sie habe die Sondierungsgespräche mit SPD und Linken als konstruktiv empfunden, unüberwindbare Differenzen habe es keine gegeben. Nun aber habe sich Giffey gegen die "Fortsetzung einer progressiven Politik für Berlin" entschieden. Ein mögliches schwarz-rotes Bündnis bezeichnet Jarasch als "Rückschrittskoalition".

Die Berliner CDU-Spitze will sich am späten Donnerstagnachmittag zu einer Sondersitzung treffen. Dabei sollen die Ergebnisse der jeweils drei Sondierungstreffen mit SPD und Grünen diskutiert werden. Anschließend will Kai Wegner das Ergebnis vorstellen.

Das Land Berlin hat langjährige Erfahrungen mit großen Koalitionen unter einem CDU-Chef, wenn auch nicht immer gute. So fielen in die Zeit des Regierenden Bürgermeistes Eberhard Diepgen nicht nur die Nachwendejahre, in denen die geteilte Stadt zusammenwuchs, sondern auch der Berliner Bankenskandal. Der Zusammenbruch der landeseigenen Berliner Bankgesellschaft hinterließ jenes Milliardendefizit, an dem alle nachfolgenden Regierungen zu kauen hatten. Anders sieht das der frühere Neuköllner SPD-Bundestagsabgeordnete Fritz Felgentreu. Auf Twitter schrieb er: "Es mit schwarz-rot zu probieren, ist, so wie die SPD Berlin gestrickt ist, ein mutiger, fast schon tollkühner Weg."

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