Wohnungspolitik:Berlin prüft Enteignungen

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Gut gelaunt beim Baustellenrundgang: Franziska Giffey auf dem Gelände der Buckower Höfe. (Foto: Paul Zinken/dpa)

13 Experten sollen ein Jahr lang untersuchen, ob Wohnungsunternehmen in Berlin enteignet werden können. Die Initiatoren des erfolgreichen Volksentscheids vermuten ein Abwehr-Manöver der SPD.

Von Jan Heidtmann, Berlin

Der Berliner Senat lässt die Möglichkeit prüfen, große Wohnungsunternehmen zu enteignen. Am Dienstag setzte die Landesregierung eine Expertenkommission ein, die die rechtlichen, finanziellen und wohnungswirtschaftlichen Voraussetzungen für diesen Schritt klären soll. "Prüfung der Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Umsetzung des Volksentscheids", lautet der offizielle Auftrag. Im vergangenen September hatten 59 Prozent der Wähler in der Hauptstadt für ein Volksbegehren der Initiative "Deutsche Wohnen & Co enteignen" gestimmt; das entspricht rund eine Million Berlinern. Demnach sollen große Unternehmen, die mehr als 3000 Wohnungen in der Stadt besitzen, gegen Entschädigung vergesellschaftet werden.

Den Vorsitz der Kommission aus 13 Experten soll die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) übernehmen. Jede der Regierungsparteien im Berliner Senat aus SPD, Grünen und der Linken stellt drei Kommissionmitglieder, drei weitere kann die Mietrechts-Initiative auswählen. Nachdem bereits in der vergangenen Woche die ersten Mitglieder der Kommission namentlich bekannt worden waren, war heftiger Streit um die Besetzung ausgebrochen.

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Die Initiative kritisierte insbesondere die Auswahl der SPD, die drei Juristinnen und Juristen entsendet. Sie gelten als Gegner von Enteignungen und liegen damit auf der Linie der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), die sich klar gegen Vergesellschaftungen ausgesprochen hat. "Mit ihnen wird es nicht um die Umsetzung des Volksentscheids gehen, sondern darum, ihn zu verhindern", sagte ein Sprecher der Initiative.

Die Kandidaten der Grünen und der Linken sind hingegen deutlich offener für die Vergesellschaftung mit Entschädigung, darunter Florian Rödl von der Freien Universität Berlin. Der Rechtswissenschaftler hatte den Senat bereits im Verfahren um den Mietendeckel vor dem Verfassungsgericht vertreten. Während die Grünen eher auf andere wohnungspolitische Instrumente setzen als auf Enteignungen, hat sich die Linke sehr klar dafür ausgesprochen. Teile der Partei sind eng verwoben mit der Mieter-Initiative. Wegen der sehr unterschiedlichen Haltungen dazu im Berliner Senat gilt der Volksentscheid als ein Thema, dass die Linkskoalition sprengen könnte.

Als Entschädigung müsste Berlin viele Milliarden bezahlen

Die Aktivisten wollen erst am Dienstagabend entscheiden, wen sie entsenden. Vorher soll jedoch geklärt werden, ob sie überhaupt noch an der Kommission teilnehmen wollen. Denn neben dem Streit um die Besetzung kritisieren die Mitglieder der Initiative auch die Aufgabenstellung.

Die Initiative hält die Enteignung gegen Entschädigung gemäß Artikel 15 des Grundgesetzes grundsätzlich für umsetzbar; die Kommission soll ihrer Meinung nach nur noch den Weg dorthin beschreiben. Die Regierende Bürgermeisterin und Bausenator Andreas Geisel (SPD) hingegen wollen nach den Erfahrungen mit dem Mietendeckel, der vor dem Bundesverfassungsgericht scheiterte, erst einmal die juristischen Fragen klären. Zumal der Artikel 15 des Grundgesetzes bislang kaum oder gar nicht angewendet wurde und es damit keine vergleichbaren Fälle gibt.

Der Auftrag sieht nun eine klare Abfolge vor: Zuerst soll das "ob" geklärt werden, also, ob Enteignungen überhaupt rechtssicher umgesetzt werden können. Dann erst soll die Kommission eventuell das "wie" untersuchen, also zum Beispiel, welche Entschädigungen fällig würden. Die Zahlen in den unterschiedlichen Gutachten zu dieser Frage reichen von rund zehn Milliarden bis 30 Milliarden Euro. Die Kommission ist mit einer eigenen Geschäftsstelle bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen ausgestattet. Ihre Arbeit ist für ein Jahr angesetzt und sie soll "grundsatzöffentlich" tagen: Protokolle, Gutachten und andere Schriftstücke sollen für die Bürger zugänglich sein.

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