Süddeutsche Zeitung

Berlin:Druck von links

In der Berliner SPD versuchen die Jusos und einige Kreisverbände, die Regierungsbildung mit der CDU zu stoppen. Könnte das die sozialdemokratische Verhandlungsposition sogar stärken?

Von Miriam Dahlinger, Berlin

Unter Berliner Genossinnen und Genossen brodelt es. Die Sozialdemokraten streiten über die Frage, ob die SPD nach der verlorenen Wiederholungswahl am 12. Februar eine Koalition unter Führung der CDU eingehen oder die Gespräche sofort abbrechen sollte. Wie hitzig es dabei zugeht, hätte man eigentlich am Montag bei den Sozialdemokraten im Stadtteil Lichtenberg beobachten können.

Doch der Kreisverband lud die bereits angemeldeten Vertreterinnen der Presse kurz vor einer Aussprache mit Co-Landeschef Raed Saleh wieder aus. Offenbar wollte man den Konflikt zwischen Basis und Parteiführung doch nicht zur Schau stellen. In Lichtenberg gelang es Saleh schließlich, die Delegierten zu besänftigen: Nach einer fast zweistündigen Diskussion stimmten sie mit 28 zu 17 Stimmen für Verhandlungen mit der CDU.

Erinnerung an eine Aktion von Kevin Kühnert

Auch der SPD-Kreisverband Reinickendorf votierte am Montag für die Gespräche, wie zuvor bereits Pankow und Spandau. Für einen Stopp der Koalitionsverhandlungen stimmten die Kreisverbände Neukölln und Tempelhof-Schöneberg. Auch der Vorstand in Steglitz-Zehlendorf sprach sich gegen eine schwarz-rote Koalition aus, Charlottenburg-Willmersdorf verzichtete auf ein Votum. Insgesamt gibt es zwölf Kreisverbände, momentan liegen die Befürworter knapp vorne, es stehen allerdings noch Abstimmungen aus.

Die Hauptstadt-SPD unter Franziska Giffey will noch bis Ende März mit der CDU verhandeln. Im April soll dann ein SPD-Mitgliederentscheid folgen. Was sich aber bereits zeigt: Die Berliner SPD ist gespalten.

Die Jusos etwa kündigten bereits Anfang des Monats "die größte parteiinterne Kampagne" an, die die SPD Berlin je gesehen habe. Ursprünglich wollten sie gezielt Gegner von Schwarz-Rot als SPD-Neumitglieder werben, damit diese gegen die Koalition stimmen. Das erinnert an eine Aktion des heutigen SPD-Generalsekretärs Kevin Kühnert, der 2018 als Chef der Bundes-Jusos gegen eine große Koalition mobilgemacht hatte, indem er Kritiker als Neumitglieder angeworben hatte. Nun aber vereitelte der SPD-Landesvorstand den Plan. Beim Mitgliedervotum im April sind nur Personen stimmberechtigt, die bis zum 24. Februar in die Partei eingetreten sind.

Rückenwind bekamen die Jusos am Samstag von rund 800 Menschen, die unter dem Banner "Rückschritts-Koalition stoppen" vom Hermannplatz in Neukölln bis zur SPD-Bundeszentrale, dem Willy-Brandt-Haus, in Kreuzberg zogen. Rund 20 Initiativen, unter ihnen "Fridays for Future" und das Bündnis "Deutsche Wohnen & Co enteignen" hatten zur Demonstration aufgerufen. "Giffey verkauft die Stadt an Rassisten", war von den Protestierenden ebenso zu hören, wie Rufe nach mehr Klimaschutz, gegen eine Randbebauung des Tempelhofer Feldes oder für die Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen.

Die SPD-Führung gibt sich gelassen

Trotzdem scheint in der SPD-Führung bisher kaum jemand davon auszugehen, dass der aufkommende Widerstand letztlich eine schwarz-rote Regierung verhindern kann. Dass sich traditionell linke Verbände wie in Neukölln und Tempelhof-Schöneberg gegen eine Koalition mit der CDU aussprächen, sei erwartbar gewesen, heißt es in Parteikreisen. Man wolle die Ergebnisse aus den rebellierenden Kreisverbänden daher nicht zu hoch bewerten.

Man gehe davon aus, dass etwa ein Drittel der Parteimitglieder nicht von einem Bündnis mit der CDU überzeugt werden können, egal welche Ergebnisse die Koalitionsverhandlungen brächten. Wer die CDU etwa für eine "rassistische" Partei halte, könne auch durch eine starke sozialdemokratische Handschrift im Koalitionsvertrag nicht umgestimmt werden. Der Fokus der Parteiführung liege daher darauf, das Vertrauen der übrigen Parteimitglieder zu gewinnen.

Zu einem gewissen Grad stärkt der parteiinterne Protest die Verhandlungsposition der Sozialdemokraten. Auch die CDU weiß, dass der Koalitionsvertrag im April in einem SPD-Mitgliedervotum bestehen muss. Man beobachte, heißt es aus Verhandlungskreisen, dass die CDU bereit sei, der SPD in vielen Punkten entgegenzukommen. Wollen die Christdemokraten nicht in neue Verhandlungen mit den Grünen treten, brauchen sie die SPD-Basis schließlich, um den nächsten Regierenden Bürgermeister zu stellen.

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