Berlin:Wegner im dritten Anlauf zum Regierenden Bürgermeister gewählt

Berlin: Kai Wegner und seine Berliner CDU sind als stärkste Kraft aus der Wahl im Februar hervorgegangen. Nun ist er auch gewählter Bürgermeister.

Kai Wegner und seine Berliner CDU sind als stärkste Kraft aus der Wahl im Februar hervorgegangen. Nun ist er auch gewählter Bürgermeister.

(Foto: Michele Tantussi/Reuters)

Der Berliner Wahl-Krimi ist beendet: Obwohl CDU und SPD eine gemeinsame Mehrheit haben, war der Christdemokrat bei den ersten beiden Wahlgängen zunächst durchgefallen. Die Schuld dafür weisen sich die Parteien gegenseitig zu.

Von Philipp Saul und Carina Seeburg

In einem mehrstündigen Wahlkrimi hat das Berliner Abgeordnetenhaus erstmals seit mehr als 20 Jahren wieder einen CDU-Politiker zum Regierenden Bürgermeister gewählt. Die Mitglieder des Abgeordnetenhauses haben es spannend gemacht: Der 50-jährige Kai Wegner bekam am Donnerstag erst im dritten Wahlgang ausreichend Stimmen, um die Nachfolge von Franziska Giffey anzutreten. Er erhielt in der geheimen Abstimmung 86 Ja-Stimmen, genau so viele, wie die Koalitionspartner CDU und SPD zusammen an Abgeordneten haben. 70 Abgeordnete stimmten im dritten Wahlgang gegen Wegner. Die AfD-Fraktion erklärte im Anschluss, im dritten Wahlgang für Wegner gestimmt zu haben. Wegner nahm die Wahl an.

Er steht an der Spitze eines Bündnisses von CDU und SPD, das sich nach der Wiederholungswahl im Februar gebildet hatte und nun die Koalition aus SPD, Linken und Grünen ablöst, die Berlin seit 2016 regiert hatte. Allerdings geht Wegner mit einem Fehlstart in seine Amtszeit, nachdem ihm zunächst ein großer Teil seiner Koalition die Gefolgschaft verweigert hatte.

In den ersten beiden Wahlgängen war Wegner gescheitert: Der Christdemokrat kam in der geheimen Wahl zunächst nicht auf die erforderliche absolute Mehrheit von 80 Stimmen, obwohl die Koalition aus CDU und SPD zusammen 86 Abgeordnete hat. Nachdem im ersten Wahlgang lediglich 71 Parlamentarier für Wegner gestimmt hatten, waren es im zweiten Wahlgang immerhin 79 - bei ebenso vielen Gegenstimmen und einer Enthaltung.

Auch wenn nicht bekannt ist, wer für oder gegen Wegner gestimmt hat, so ist es doch wahrscheinlich, dass die Christdemokraten geschlossen für ihren Vorsitzenden gestimmt haben. In der Koalition dürften viele Nein-Stimmen von der SPD gekommen sein.

Dort hatte es in den vergangenen Wochen großen Widerstand gegen das Bündnis mit der CDU gegeben. Bei einem Mitgliedervotum setzten sich die Befürworter der Koalition aber mit 54,3 Prozent durch. Den Christdemokraten wird vor allem ihr Verhalten nach den Silvesterkrawallen vorgeworfen - sie hatten damals nach den Vornamen der mutmaßlichen Täter gefragt. Deutlich weniger öffentliche Diskussionen gab es bei der CDU: Dort votierten die Delegierten einstimmig für den Koalitionsvertrag.

CDU und SPD weisen sich gegenseitig Schuld zu

Nach den zwei gescheiterten Durchgängen bei der Wahl des Regierenden Bürgermeisters haben sich Politiker von CDU und SPD zunächst gegenseitig die Schuld zugewiesen. "In der SPD gibt es offensichtlich viele, die die Wahl des Regierenden Bürgermeisters nutzen, um mit Franziska Giffey und Raed Saleh abzurechnen", sagte der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Das ist staatspolitisch unverantwortlich." Die SPD verliere so weiter an Glaubwürdigkeit, sagte er und betonte: "Die CDU-Fraktion steht geschlossen hinter Kai Wegner."

Der Berliner SPD-Abgeordnete Orkan Özdemir sagte vor dem dritten Wahlgang: "Ich bin sehr sicher, dass es aus den Reihen der CDU ist. Die müssen ihre Reihen jetzt schließen. (...) Ich hoffe jetzt, dass Herr Wegner seine Leute auf Reihe kriegt." Das sei nötig, um eine erneute Abgeordnetenhauswahl in Berlin zu verhindern. Bei der SPD wisse man von zwei "Gegenakteuren", die gegen Wegner stimmen wollten, das sei bekannt, gab Özdemir zu. Aber mehr seien es nicht.

Der Berliner CDU-Politiker Falko Lieke zeigte sich nach den gescheiterten Wahlgängen von der Dimension überrascht. "Ich habe schon damit gerechnet, dass es einen kleinen Dämpfer geben kann", sagte Lieke, der Staatssekretär werden soll. "Aber das hat schon eine besondere Qualität, die nicht sein muss."

Grünen-Fraktionschef Werner Graf sprach nach den gescheiterten ersten beiden Durchgängen von einem "desaströsen Start" für die vorgesehene schwarz-rote Regierung. Es zeige die Zerrissenheit der SPD-Fraktion. "Es ist schlecht für Berlin, weil es keine stabile Mehrheit gibt in den nächsten dreieinhalb Jahren - egal, wie der dritte Wahlgang ausgeht."

Die dritte Wahl-Runde

Nach einer Sitzungsunterbrechung stimmten CDU und SPD gegen einen Antrag der Grünen und der Linken auf eine Vertagung der Wahl, die AfD enthielt sich - und die Wahl ging in eine dritte Runde. In diesem dritten Wahlgang benötige Wegner nur noch mehr Ja- als Nein-Stimmen. Enthaltungen spielen dabei keine Rolle. Mit 86 Ja-Stimmen wurde Wegner dann schließlich im dritten Anlauf zum Regierenden Bürgermeister von Berlin gewählt.

Die dramatisch verlaufende Abstimmung weckte Erinnerungen an die Wahl des früheren Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit im Jahr 2006. Der SPD-Politiker war damals erst im zweiten Wahlgang mit der knappen Mehrheit von einer Stimme wiedergewählt worden.

Die bisherige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) war zuvor von ihrem Amt zurückgetreten. Nachdem es bei der regulären Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2021 zahlreiche organisatorische Pannen gegeben hatte, hatte die CDU bei der Wiederholungswahl im Februar deutlich dazugewonnen und wurde mit 28,2 Prozent stärkste Partei. Die SPD kam knapp vor den Grünen auf den zweiten Platz: Beide erhielten je 18,4 Prozent der Stimmen, für die Sozialdemokraten votierten im Februar aber 53 Menschen mehr als für die Grünen.

Giffey soll im neuen Senat Wirtschaftssenatorin werden. Sie hatte sich nach der Wahl bereiterklärt, für die Koalition mit der CDU ihr Amt aufzugeben, das sie bei einer Fortsetzung des bisherigen rot-grün-roten Bündnisses vermutlich behalten hätte - auch diese Koalition hätte weiterhin eine Mehrheit gehabt.

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