Berlin:Vorsichtiger Reformer

Bischof Christian Stäblein

Christian Stäblein will Diskussionsprozesse in der evangelischen Kirche anstoßen.

(Foto: Gregor Fischer/dpa)

Christian Stäblein wird neuer evangelischer Landesbischof von Berlin und will neue Lösungen für die schrumpfende Kirche finden.

Von Thomas Jordan, Berlin

Zum Beispiel die Sache mit der ruhenden Mitgliedschaft. Da hat er einen Stein ins Wasser geworfen, und als der dann Kreise zog, ist er vorsichtshalber einen Schritt zurückgegangen. Anfang November hatte Christian Stäblein davon gesprochen, dass Menschen "in der Rushhour des Lebens", die für den Hausbau oder das Studium der Kinder sparten, "von bestimmten Beiträgen frei sein" könnten. Mit anderen Worten: eine Aussetzung der Kirchensteuer aus sozialen Gründen.

Eine Studie sagt der evangelischen Kirche eine Halbierung ihrer Mitglieder bis zum Jahr 2060 voraus. Wenn man Menschen, die ihre Kirchenbeiträge finanziell stark belasten, zeitweise davon befreit, könnte es, so die Überlegung, den Schwund abmildern. Im Gespräch mit der SZ rudert Stäblein dann aber zurück und sagt: "Man kann das sehr umstritten finden."

Christian Stäblein, der am Samstag das Amt des Landesbischofs der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg- Schlesische Oberlausitz antritt, will, das hat er in den letzten Wochen deutlich gemacht, in seiner Kirche Diskussionsprozesse anstoßen. Zugleich kennt der 52-Jährige, der bereits seit 2015 Stellvertreter des Berliner Landesbischofs ist, die Kirche viel zu gut, als dass er nicht wüsste, wie behutsam man vorgehen muss. Als zukünftiger Landesbischof wolle er "Luft ins System bringen" und "Mut machen, den Wandel zu begleiten", sagt Stäblein. Anlass dafür gibt es genug: Gerade in den strukturschwachen Regionen seiner Landeskirche, etwa in Teilen Brandenburgs, stellt sich die Frage, wie viel Kirche und wie viel Gemeindeleben überhaupt noch möglich ist, wenn Pfarreien zusammengelegt werden.

Stäblein spricht oft von "dritten Orten", wenn es um die Zukunft der Kirche geht. Darunter versteht der frühere Leiter eines Predigerseminars etwa evangelische Schulen und Kitas. Als Treffpunkt von Menschen unterschiedlichen Alters könnten das schließlich auch "geistliche Räume" sein, auch wenn es "keine Kirchengemeinden im Sinne einer Körperschaft" seien. Auch Tauffeste könne man dort feiern.

Der künftige Landesbischof will "kirchliche Start-ups" fördern

Auf der Suche nach neuen Formen christlichen Gemeindelebens in einer schrumpfenden Kirche will Stäblein auch "kirchliche Startups" finanziell fördern. Darunter kann man sich Projekte wie die "Refo" in Berlin-Moabit vorstellen. Dort erproben junge Christen in den Mauern einer evangelischen Kirche seit dem Jahr 2011 kreative Erlebnisgottesdienste. Im Dialog mit Muslimen und gesellschaftlichen Vereinen tragen sie den Glauben in den Kiez. "Man braucht rechtliche Erprobungsräume", sagt der künftige Landesbischof.

Stäblein selbst sieht sich theologisch in der Tradition des "milden Luthertums". Darunter versteht er auch die Warnung davor, dass man vom Sehen auf das Glauben schließen könne. "Der gläubige Mensch macht gute Werke, aber nicht die guten Werke machen ihn aus", sagt Stäblein. Daraus spricht die Erfahrung von Generationen evangelischer Geistlicher. Schon sein Großvater war protestantischer Pfarrer, genau wie seine Mutter, Renate Löhr. Und seine Stiefmutter, Oda-Gebbine Holze-Stäblein, war dann Landessuperintendentin und am Wochenende öfters zu Gast in deutschen Wohnzimmern. Jahrelang trat sie in der ARD-Sendung "Das Wort zum Sonntag" als Sprecherin auf.

Ihr Sohn übernimmt nun eine Landeskirche, aus der wichtige Impulse für die gesamte Evangelische Kirche in Deutschland hervorgegangen sind. Etwa zu Zeiten von Wolfgang Huber, dem späteren EKD-Ratsvorsitzenden. Viele Protestanten in Berlin sehnen sich heute nach solchen Impulsen. Der erfahrene Kirchenmann Stäblein betont gerne, dass eines der wichtigsten Wörter für ihn das Wort "konkret" sei. Bei den Missbrauchsfällen in der evangelischen Kirche geht er voran: "Der Missbrauchsskandal geht ins Mark der Kirche", sagt er. Und regt an, eine eigene Missbrauchsstudie der ostdeutschen Landeskirchen anzufertigen. Auch mit Blick auf den wachsenden Antisemitismus in der Gesellschaft wird der künftige Landesbischof deutlich: "Ein Aufflammen von Judenfeindschaft" dürfe nicht hingenommen werden, sagt Christian Stäblein.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir fälschlicherweise berichtet, dass Oda-Gebbine Holze-Stäblein die Mutter von Christian Stäblein sei. Sie ist jedoch dessen Stiefmutter. Die leibliche Mutter ist die Pastorin i. R. Renate Löhr, geschiedene Stäblein.

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