Berlin vor dem 1. Mai:Kreuzberger Klassenkämpfer

Die Krawallmacher der Republik werden sich am 1. Mai in Berlin wieder austoben. Diesmal könnten sie sogar eine kapitalismuskritische Note einbringen.

Thorsten Denkler, Berlin

Markus Bernhard hat die Haare kurz geschoren, trägt Ringe in Ohr und Nasenflügel, ein schwarzes Poloshirt und darüber eine schwarze Trainingsjacke - wie es sich für einen Radikallinken gehört: die mit den zwei Streifen. Bernhard ist Sprecher des "Klassenkämpferischen Blocks" in Berlin. An diesem Mittwoch stellt er mit anderen Linken das diesjährige Konzept der traditionellen Demo "Heraus zum revolutionären 1. Mai" vor.

Berlin vor dem 1. Mai: Ruhe ohne Sturm: In den vergangenen Jahren hatte die Berliner Polizei die Situation unter Kontrolle.

Ruhe ohne Sturm: In den vergangenen Jahren hatte die Berliner Polizei die Situation unter Kontrolle.

(Foto: Foto: ddp)

Bernhard fordert, wovor alle warnen: "Wir wollen soziale Unruhen und wollen alles dafür tun." Kirill Jermak, Kommunalpolitiker der Linkspartei in Berlin-Lichtenberg, legt nach: "Wenn etwas passiert, sind nicht wir schuld, sondern die Polizei. Da gibt es Hundertschaften mit einem faschistischen Korpsgeist."

Die Berliner Medien geißeln den Auftritt am Tag danach als "Kreuzberger Kriegserklärung". Das ist wohl etwas übertrieben. Selbst die Krawall-Fachleute der Berliner taz sehen keine Anzeichen, dass die Ausschreitungen an diesem 1. Mai über das ortsübliche Maß hinausgehen werden. "Die Krise ist noch nicht angekommen: Der Berliner geht weiter eher shoppen als protestieren", schreibt die taz.

Zumindest verbal aber haben die Linken der Hauptstadt kräftig aufgerüstet in den Tagen vor dem 1. Mai. Ihre Themen haben derzeit ja auch Konjunktur. Kapitalismuskritik ist en vogue. Wenn sie auch aus den Mündern der Demo-Organisatoren etwas antiquiert klingt.

In ihrem Demo-Aufruf etwa räumen sie ein, dass es "noch keine organisierte und entschlossene große Bewegung für eine Perspektive jenseits des Kapitalismus" gebe. Als "revolutionäre Linke" aber stünden sie "in der Tradition der revolutionären Geschichte um Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung für eine klassen- und staatenlose Gesellschaft". Na dann.

Im Grunde sind es die immergleichen Floskeln mit denen die Veranstalter der revolutionären Demos versuchen, eine Szene zu mobilisieren, die in den vergangenen Jahren immer krawallmüder geworden ist. Ja, es werden Flaschen fliegen und Steine geworfen. Es wird Festnahmen geben und das ein oder andere Auto wird brennen.

"Das ist unerträglich"

Doch von den kriegsähnlichen Zuständen der frühen neunziger Jahre wird Kreuzberg wohl auch diesmal wieder verschont bleiben. So erwartet es zumindest die Berliner Polizei. Und die lag in der vergangenen Jahren mit ihren Prognosen immer ziemlich richtig.

Das scheint nicht allen zu gefallen. Die Berliner CDU etwa meldete kurzentschlossen einen "Aufklärungsstand" mit CDU-Schirmchen und Infomaterial über linke Gewalt an. Ausgerechnet auf dem "Myfest" in Kreuzberg sollte der stehen, an dessen Rändern es dann doch gerne mal zu kleineren Scharmützeln zwischen Polizei und Autonomen kommt.

Letztere haben den Christdemokraten mitgeteilt, diese seien mit ihrem Stand in Kreuzberg ebenso unerwünscht wie die Polizei. "Wir können die Sicherheit nicht gewährleisten", hieß es so lapidar wie unverhohlen.

Polizeipräsident Dieter Glietsch hat nicht nur deswegen der CDU den Stand untersagt. Was wiederum die CDU in Rage brachte: Der Kreuzberger CDU-Abgeordnete Kurt Wansner beschwerte sich per Brief bei Glietsch. Die Berliner Polizei wolle "Anhänger einer demokratischen Partei von einer Informationsveranstaltung abhalten". Das sei "unerträglich". Wansner kündigte an: "Dann gehen wir eben mit CDU-Fahne oder Deutschland-Flagge in Kreuzberg demonstrieren". Deeskalationsstrategien sehen anders aus.

Probleme bereitete der Berliner Polizei allerdings im Vorfeld, genügend Personal zusammenzubekommen. Wie jedes Jahr sind die Beamten aus der Hauptstadt auf Hilfe aus anderen Bundesländern angewiesen. Doch in diesem Jahr gibt es eine neue Vielzahl von Veranstaltungen, die unter akutem Krawallverdacht stehen. In Hannover etwa wollen 1500 gewaltbereite Neonazis und ebenso viele nicht minder harmlose Autonome demonstrieren. Andere Aufmärsche von Rechtsextremen werden in Dresden, Neubrandenburg, Ulm, im ostbayerischen Weiden, in Mainz und Kaiserslautern erwartet.

Erschwerend kommt der Sport hinzu: Am Abend des 1. Mai wird in Berlin, unweit des Kreuzberger Krawallzentrums, das Basketball-Halbfinale der Euroleague ausgetragen. Viele Anhänger der verfeindeten griechischen Halbfinalisten Olympiakos Piräus und Panathinaikos Athen gelten als gewaltbereite Hooligans.

Die Veranstalter der revolutionären Mai-Demo haben die als eher links geltenden Fans von Olympiakos Piräus großzügig eingeladen, nach dem Spiel auf einen Sprung in Kreuzberg vorbeizuschauen. Das wirkt dann doch eher politisch. Aber sie wären nicht die Ersten, die sich aus einem gewissen touristischen Interesse heraus an den Demonstrationen beteiligen. Den meisten Steinewerfern am 1. Mai scheint die Politik ohnehin egal zu sein. Es gilt die Pervertierung des olympischen Gedankens: Dabei sein ist alles.

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