Berlin:Vertrauliches Schnuppern

Rot-Rot-Grün lotet erstmals wieder Bündnisoptionen fürs gemeinsame Regieren aus. Man will vorbereitet sein, falls die große Koalition auseinanderbricht.

Von Mike Szymanski, Berlin

Der Bundestag diskutiert gerade die Auslandseinsätze der Bundeswehr, als in dem kleinen Besprechungsraum E 201 im benachbarten Jakob-Kaiser-Haus die Tür auf- und zugeht. Nach und nach betreten Parlamentarier den Raum, am Ende werden es sieben Teilnehmer sein. Sie gehören der SPD an, den Linken und den Grünen. Nach zwei Jahren Pause lebt - noch im vertraulichen Kreis - an diesem Donnerstag eine Gesprächsrunde wieder auf, die Machtoptionen auslotet: für Rot-Rot-Grün. "Es ist an der Zeit", steht im Einladungsschreiben.

Rot-Rot-Grün? Da war doch was. Mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 hatten sich im Herbst 2016 schon einmal Politiker aller drei Parteien zu einer rot-rot-grünen Schnupperrunde getroffen, ganz ohne Heimlichtuerei. Sogar der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel kam zur Überraschung vieler dazu und wertete das Treffen mit seiner Anwesenheit auf. Rot-Rot-Grün - das sollte die Fantasie beflügeln. Und das tat es auch, wenn auch nur für kurze Zeit. Als dann das Wahljahr 2017 an Fahrt aufgenommen hatte, jedoch bald die Aussicht auf ein Linksbündnis die eigenen Anhänger bei den Abstimmungen in den Ländern zu verprellen schien, war es bei der SPD vorbei mit der Träumerei. Und auch mit den Treffen, sie endeten abrupt.

2019 ist die Lage eine ganz andere. Die SPD steckt in einer Koalition fest, die an der eigenen Basis wenig beliebt ist und über deren Zukunft in der zweiten Jahreshälfte entschieden werden soll. Bei den Linken hat Sahra Wagenknecht gerade erst ihren Rückzug von der Fraktionsspitze angekündigt. Bei SPD und Grünen wurde Wagenknecht immer wieder als ein Grund angeführt, dass Rot-Rot-Grün nur schwer zusammenfinden könne. Bei den Grünen will man vorbereitet sein für den Fall, dass die große Koalition vorzeitig auseinanderbricht. Man hat noch im Kopf: Jamaika hat schon einmal nicht geklappt. "In diesem Jahr werden sich viele Dinge neu sortieren", prophezeit Axel Schäfer von der SPD, der den Gesprächskreis initiiert hat, gegenüber der SZ. Er hatte zum Treffen in kleiner Runde eingeladen: Fraktionsvizes wie Caren Lay von den Linken und Katja Dörner von den Grünen. "Der allgemeine Eindruck ist, dass man für Rot-Rot-Grün wieder Zeichen setzen muss", sagt Schäfer. "Wir werden uns dieses Mal nicht von Wahlen abhalten lassen, Rot-Rot-Grün zu diskutieren."

Die Chancen für ein solches Bündnis betrachtet er als "auf alle Fälle" gegeben. Deshalb soll das Treffen vom Donnerstag auch nur der Auftakt zu weiteren Gesprächsrunden sein. Die drei Fraktionsführungen seien über das Treffen informiert. In Umfragen kommen die drei Parteien zusammen derzeit auf zwischen 42 und 45 Prozent. Schäfer hält das für ausbaufähig. Ein neuer Anlauf zu Rot-Rot-Grün würde auch unter anderen Vorzeichen erfolgen: Die Grünen liegen in Umfragen mittlerweile gleichauf mit der SPD, oftmals sogar vor den Sozialdemokraten. Wer ein linkes Bündnis anführen könnte, ist nicht geklärt.

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