Parteitag der SPD Berlin:Giffey rechtfertigt Große Koalition

Parteitag der SPD Berlin: Franziska Giffey spricht beim Landesparteitag Berliner SPD.

Franziska Giffey spricht beim Landesparteitag Berliner SPD.

(Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Die Berliner SPD hat am Wahlergebnis vom Februar noch immer ordentlich zu knabbern. Auf Drängen der Jusos muss sich der Landesvorstand künftig neu aufstellen.

Von Nadja Tausche, Berlin

Die Berliner SPD ringt um die Aufarbeitung ihrer Wahlschlappe bei der Abgeordnetenhauswahl im Februar. Auf dem ersten Parteitag nach der Wiederholungswahl äußerten mehrere Delegierte ihren Unmut über das Ergebnis und darüber, wie die Parteivorsitzenden nach der Wahl damit umgegangen sind. "Aus unserer Sicht habt ihr bis heute nicht genügend Verantwortung dafür übernommen, wie diese Wahl ausgegangen ist und in welcher Situation die SPD ist", sagte Juso-Vorsitzende Sinem Taşan-Funke am Freitag in Richtung von Franziska Giffey und Raed Saleh.

Als Konsequenz aus dem Wahlergebnis muss sich der Landesvorstand künftig neu aufstellen. Die Delegierten haben den entsprechenden Antrag der Jusos auf dem Parteitag in Berlin mit nur einer Gegenstimme beschlossen. Im Landesvorstand sollen in Zukunft weniger Menschen sitzen, die gleichzeitig auch Staatssekretäre, Senatoren oder Fraktionsvorsitzende sind. Dadurch sollen sie sich mehr auf ihre Aufgabe konzentrieren können und unabhängig sein von einer Tätigkeit in der Fraktion oder im Senat.

Ursprünglich war der Antrag der Jusos deutlich strenger, im Laufe des Parteitags reichten sie aber einen Änderungsantrag ein und schwächten die eigene Forderung ab. In der ursprünglichen Version hatte es geheißen, die Menschen im Landesvorstand sollen "nicht identisch" mit denen sein, die in Senat oder Fraktion aktiv sind. Somit hätten die beiden Parteivorsitzenden Giffey und Saleh ihre Parteiämter abgeben müssen. Aber auch jetzt ist es gut möglich, dass eine oder einer bei den nächsten Vorstandswahlen im Jahr 2024 aus dem Vorstand ausscheidet. Denn in dem geänderten Antrag heißt es, die Doppelspitze solle künftig "nicht vollständig" aus genanntem Personenkreis stammen, also parallel noch eine Tätigkeit in Fraktion oder Senat innehaben. Bisher tun das aber beide: Giffey ist Wirtschaftssenatorin, Saleh Fraktionschef.

Dem Anschein nach wollten die Delegierten hauptsächlich irgendeine Art von Konsequenz aus dem schlechten Wahlergebnis ziehen. Der Antrag war deshalb das bestimmende Thema des Parteitags. In dieser Deutlichkeit hätte sie das auch nicht erwartet, sagt Juso-Vorsitzende Taşan-Funke. Es sei "auf jeden Fall ein Erfolg", dass die Jusos das Thema auf die Tagesordnung gebracht hätten. Es sei "schon sehr ungewöhnlich", dass eine Partei verliere und es einfach weitergehe wie bisher.

Ein sogenannter "Visionenprozess" soll helfen, den Kern der SPD auszuarbeiten

Wie schwer das Wahlergebnis die Partei getroffen hat, zeigte sich an gleich mehreren Redebeiträgen. Die Delegierten stellten darin die ganz grundsätzlichen Fragen. Was muss jetzt passieren? Was macht die SPD im Kern eigentlich aus? Ganz oft fiel der Satz: Es brauche jetzt eine schonungslose Aufarbeitung. Das sehen nach eigenen Angaben auch die Vorsitzenden selbst so. Ein sogenannter "Visionenprozess" soll nun helfen, den Kern der SPD auszuarbeiten. Auch das ist Teil des beschlossenen Juso-Antrags.

Giffey sagte, die Partei sei dem Anspruch, führende politische Kraft in Berlin zu sein, nicht gerecht geworden. Sie sprach von einer "sehr bitteren Erfahrung". Zugleich verteidigte sie die Entscheidung, eine Große Koalition mit der CDU einzugehen. In einer Koalition mit den Grünen hätte man massive Abstriche machen müssen, sagte Giffey, es hätte Dauerstreit gegeben. Außerdem hätte man als Signal an die Berlinerinnen und Berliner gesendet: Uns doch egal, was ihr wählt, wir machen einfach weiter wie bisher. "Ich bin überzeugt davon, dass wir in drei Jahren die Quittung dafür bekommen hätten."

Giffey: "Wir sind zerrieben worden"

In der alten, rot-grün-roten Koalition habe man zu oft die moderierende Rolle übernommen zwischen Extrempositionen der Grünen auf der einen Seite und der Linken auf der anderen. "Wir sind zerrieben worden", so Giffey. Jetzt habe man gemeinsam mit der CDU einen Koalitionsvertrag, "der ganz maßgeblich die Handschrift der SPD trägt". 54,3 Prozent hatten bei einem Mitgliederentscheid für die Große Koalition mit der CDU gestimmt, fast die Hälfte der Partei war dagegen. Die Kritik an der Entscheidung aus den eigenen Reihen war und ist groß.

Mit 18,4 Prozent hatte die SPD bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus ihr schlechteste Ergebnis seit dem Zweiten Weltkrieg eingeholt. In der traditionell SPD-geprägten Hauptstadt wurde die Partei damit nur Zweite hinter der CDU, die 28,2 Prozent holte. Außerdem lag die SPD nur 53 Stimmen vor den Grünen. Nach dem ebenfalls schlechten Wahlergebnis im Jahr 2021 war das ein neuer Tiefpunkt.

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