Berlin:SPD darf Thilo Sarrazin ausschließen

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Das Schiedsgericht wertet seine Aussagen als "klar rassistisch" und parteischädigend. Der Autor will Berufung einlegen.

Von Jens Schneider, Berlin

Der frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin könnte nun wegen seiner umstrittenen Thesen doch aus der SPD ausgeschlossen werden. Nach mehreren gescheiterten Versuchen entschied das Parteigericht des Berliner SPD-Kreisverbandes Charlottenburg-Wilmersdorf jetzt, dass Sarrazin die Partei verlassen muss. Der 74-Jährige ist Mitglied des Kreises. Er gehört der SPD seit 45 Jahren an. Das Parteigericht folgte damit einem Antrag der SPD-Führung. Sie hatte Sarrazins Ausschluss wegen seines jüngsten Buchs gefordert. Sarrazin bleibt aber zunächst in der Partei. Die Entscheidung in erster Instanz ist nicht rechtskräftig. Sein Anwalt kündigte an, er werde Berufung einlegen.

Die SPD-Führung sieht sich durch das Votum in ihrer Haltung bestätigt. "Ich begrüße diese Entscheidung ausdrücklich", sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. "Rassistische Gedanken haben in der SPD keinen Platz." Die Partei unternahm bereits den dritten Anlauf, um Sarrazin loszuwerden. 2009 und 2011 war sie mit dem Versuch, ihn aus der SPD auszuschließen, gescheitert.

Der frühere Finanzsenator der Hauptstadt ist seit Langem wegen seiner migrationskritischen Thesen umstritten. So sprach er mit Blick auf muslimische Zuwanderer 2009 von Menschen, "die ständig neue Kopftuchmädchen produzieren". In seinem letzten Buch "Feindliche Übernahme" schrieb er, dass der Islam den Fortschritt behindere und die "religiös gefärbte kulturelle Andersartigkeit der Mehrheit der Muslime" und deren steigende Geburtenzahlen die offene Gesellschaft, Demokratie und den Wohlstand" gefährdeten.

Das Parteigericht urteilte, dass Sarrazin erheblich gegen die Grundsätze der Partei verstoßen und ihr dadurch schweren Schaden zugefügt habe. Damit wären die Voraussetzungen für einen Ausschluss erfüllt. Sarrazin beschreibe in Deutschland lebende Muslime als "weniger wertvoll" und "gefährlich", heißt es laut Deutscher Presse-Agentur in der Entscheidung. Das sei "klar rassistisch". Seine Thesen stellten die Glaubwürdigkeit der Partei und ihres Einsatzes für ihre Werte und Grundauffassungen infrage.

Sarrazin weist den Vorwurf des Rassismus zurück. Er bezeichnete das Urteil als falsch und kritisierte die SPD. Es sei schade, dass "sie nicht die Kraft fand, eine andere Entscheidung im Interesse der Meinungsfreiheit und der innerparteilichen Demokratie zu treffen". Er habe dies nie für möglich gehalten. Sein Anwalt Andreas Köhler teilte mit, dass Sarrazin durch alle Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht gehen wolle. Er werde zunächst das Landes- und das Bundesschiedsgericht der SPD anrufen, "darüber hinaus nötigenfalls alle normalen Zivilinstanzen". Dies bedeute noch sechs weitere Instanzen und viele weitere Jahre der Auseinandersetzung.

© SZ vom 12.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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